Freiburger OB durfte Ratsmitglied “eingeschränktes Demokratieverständnis“ unterstellen

Die Äußerung des Freiburger Oberbürgermeisters in einer Gemeinderatssitzung, mit der er gegenüber einem Stadtrat in Erwiderung auf dessen Redebeitrag äußerte “Das ist schade, dass Sie das nicht verstehen, aber vielleicht hängt das auch am eingeschränkten Demokratieverständnis.“, hielt sich in den von den Mitgliedern des Gemeinderats einzuhaltenden Grenzen einer kommunalpolitischen Debatte. Dies entschied das Verwaltungsgericht Freiburg.

Oberbürgermeister reagierte auf scharfen Redebeitrag eines AfD-Ratsmitglieds

Die Äußerung des Oberbürgermeisters erfolgte im Anschluss an einen Redebeitrag des Stadtrats, der darin mit scharfen Worten die Absetzung des Tagesordnungspunkts 6 forderte, welcher sich unter anderem mit der Neubesetzung von Gremien befasste. Der klagende Stadtrat bildet mit einem weiteren Stadtrat im Gemeinderat die Gruppierung “Alternative für Deutschland (AfD)“. Am 01.10.2020 erhob er Klage mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Äußerung des Oberbürgermeisters.

VG: Streitige Äußerung hielt sich in Grenzen des Rederechts

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Der Oberbürgermeister habe die mit der Klage angegriffene Äußerung nicht als Sitzungsleiter, sondern unter Wahrnehmung seines Rederechts als Mitglied des Gemeinderats getätigt. Bei der Wahrnehmung seines Rederechts unterliege er denselben rechtlichen Grenzen wie alle anderen Gemeinderäte. Diese Grenzen habe er eingehalten. Ratsmitglieder hätten solche Äußerungen zu unterlassen, die den ordnungsgemäßen Sitzungsablauf störten. Dies sei bei Äußerungen der Fall, die den Tatbestand der “groben Ungebühr“ erfüllten und dabei etwa als “Formalbeleidigung“ oder Schmähkritik zu qualifizieren seien.

Wortwahl war nicht grob ungebührlich

Dabei seien strenge Maßstäbe anzulegen, so die Richter. Denn der Widerstreit der unterschiedlichen Positionen im Gemeinderat lebe nicht zuletzt von Debatten, die mit Stilmitteln wie Überspitzung, Polarisierung, Vereinfachung oder Polemik geführt würden. Die Äußerung des Oberbürgermeisters sei nicht grob ungebührlich gewesen. Dabei sei insbesondere von Bedeutung, dass er mit der Äußerung auf den Redebeitrag des Klägers reagiert habe, in dem dieser die geplante Neubesetzung von Ausschüssen und Gremien mit scharfen Worten kritisiert habe. Wortwahl und Inhalt des Redebeitrages hätten den Eindruck erwecken können, dass der Fraktionswechsel zweier Ratsmitglieder und die hierdurch notwendig gewordene personelle Neubesetzung bestimmter Gremien und Ausschüsse “unlauter“ beziehungsweise mit demokratischen Grundsätzen nicht vereinbar sei. Der Oberbürgermeister habe ersichtlich einen Streit um die Anwendung “demokratischer Spielregeln“ zum Anlass für die beanstandete Formulierung genommen. Von einer gezielten Diskreditierung ohne Auseinandersetzung in der Sache könne keine Rede sein. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

VG Freiburg, Urteil vom 25.03.2021 - 4 K 3145/20

Redaktion beck-aktuell, 10. August 2021.