Corona-Pandemie: Kein Anspruch auf weitergehende Schutzmaßnahmen in Schulen

Das Land Baden-Württemberg ist nicht verpflichtet, weitergehende Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit von Schülern im Hinblick auf die Gefahr einer Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus zu treffen. Dies hat das Verwaltungsgericht Freiburg entschieden und den Eilantrag einer Schülerin abgelehnt. Die derzeitigen Schutzvorkehrungen sind nach Ansicht des Gerichts auch mit Blick auf den Bildungsauftrag des Landes ausreichend.

Installation einer Luftqualitätsüberwachung gefordert

Die Schülerin hatte mit dem am 11.09.2020 gestellten und sowohl gegen den Schulträger als auch gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten Antrag erreichen wollen, dass alle Klassenzimmer dauerhaft belüftet werden, in allen Klassenzimmern lediglich mit einem Mindestabstand von 1,5 Metern und mit der Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes beschult wird sowie in allen Klassenzimmern eine Luftqualitätsüberwachung installiert wird.

Gericht: Ausreichende Schutzmaßnahmen getroffen

Das VG lehnte den Antrag ab. Der Staat sei zwar verpflichtet, sich schützend und fördernd vor das Leben der Einzelnen zu stellen sowie vor Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit zu schützen. Diese Schutzpflicht sei aber nur verletzt, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen seien, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückblieben. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Vielmehr habe das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport mit der Verordnung über den Schulbetrieb unter Pandemiebedingungen (CoronaVO Schule) sowie den Hygiene-Hinweisen für die Schulen in Baden-Württemberg Schutzmaßnahmen getroffen.

Zwar kein Abstandsgebot zu und zwischen Schülern

Zwar gelte kein Abstandsgebot zu den Schülern und zwischen ihnen. Lehrkräfte, Eltern, Beschäftigte und andere Personen müssten aber untereinander einen Mindestabstand von 1,50 Metern einhalten. Zudem seien alle Räume, die dem Aufenthalt von Personen dienten, mehrmals täglich, Unterrichtsräume mindestens alle 45 Minuten, durch das Öffnen der Fenster zu lüften, es sei denn, dass der Luftaustausch über eine geeignete raumlufttechnische Anlage erfolge. Auch die Hygiene-Hinweisen sähen eine Vielzahl von Schutzvorkehrungen vor (insbesondere Abstandsgebot [soweit nicht Schüler betroffen sind], konstante Gruppenzusammensetzungen, gründliche Händehygiene, Husten- und Niesetikette, Mund-Nasen-Bedeckung außerhalb des Klassenzimmers und Raumhygiene).

Maßnahmen vor Hintergrund des Bildungsauftrags dennoch nicht völlig unzulänglich

Diese Maßnahmen seien auch nicht völlig unzulänglich und blieben auch nicht erheblich hinter dem gebotenen Schutzziel zurück. Es werde nicht verkannt, dass mit Leben und körperlicher Unversehrtheit überragend wichtige Rechtsgüter in Rede stünden, betont das VG. Allerdings könne sich die öffentliche Gewalt nicht darauf beschränken, einen möglichst effektiven Infektionsschutz für Schüler zu gewährleisten. Vielmehr müsse sie gleichzeitig dem Bildungsauftrag des Staates und dem Bildungsanspruch jedes einzelnen Kindes hinreichend Rechnung tragen. Im Rahmen einer Abwägung sei die Erfüllung der Schutzpflichten mit dem verfassungsrechtlichen Bildungsauftrag in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Ausgehend hiervon sei der Gestaltungsspielraum des Landes Baden-Württemberg nicht in einer Weise beschränkt, dass die Antragstellerin weitergehende Schutzmaßnahmen, etwa einen Mindestabstand zu und zwischen den Schülern, verlangen könne. Die Durchsetzung des Bildungsauftrags sowie des Rechts auf Bildung könne nur dann effektiv erfolgen, wenn der Unterricht an allgemeinbildenden Schulen unter Berücksichtigung des Lehrplans als Präsenzunterricht erfolge. Der Präsenzunterricht in voller Klassenstärke könne angesichts Lehrermangels und sächlicher Zwänge wie räumlich bedingter Kapazitätsgrenzen nur unter Verzicht auf den Mindestabstand erfolgen.

Keine Verpflichtung zu Anordnung der Maskenpflicht in Klassenzimmern

Aus der Schutzpflicht des Staates folge auch keine Verpflichtung, in den Klassenzimmern der Schule zusätzlich eine Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes anzuordnen. Nach den Hygiene-Hinweisen sei zwar im Unterricht das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nicht erforderlich, gleichwohl aber zulässig. Für Schüler sei ab Klasse 5 das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auf dem gesamten Schulgelände außerhalb des Klassenzimmers verpflichtend. Unabhängig davon bleibe es der Antragstellerin unbenommen, in den Klassenzimmern zu ihrem Eigenschutz einen Mund-Nasen-Schutz oder eine FFP2/FFP3-Maske zu tragen.

VG Freiburg, Beschluss vom 14.09.2020 - 2 K 2971/20

Redaktion beck-aktuell, 16. September 2020.