BaFin durfte Bank Negativzinsen nicht verbieten

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht durfte einer Bank nicht verbieten, Negativzinsen von Bestandkunden zu erheben. Dies hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main entschieden und die Untersagungsverfügung aufgehoben. Es betont, dass die Befugnis der BaFin zum Einschreiten nur subsidiär sei. Zunächst seien verbraucherschutzrelevante Umstände vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit abzuhandeln. Das VG hat die Berufung zugelassen.

Bank führte Negativzinsen für Bestandskunden ein

Die Klägerin ist eine Bank, deren geschäftlicher Schwerpunkt auf der Vermittlung von Wertpapiergeschäften als "online-Broker" liegt. Die Geschäfte werden so abgewickelt, dass die Kunden zunächst auf für sie von der Klägerin eingerichteten Geld- oder "Cash"-Konten Gelder zum Zweck der Wertpapierkäufe einzahlen. Im Fall von Wertpapierverkäufen wird der Erlös durch die Klägerin auf das Cash-Konto gebucht. Anderweitiger Zahlungsverkehr findet über diese Konten nicht statt. Die Klägerin teilte im März 2017 ihren etwa 180.000 Bestandskunden mit, dass sie sich gezwungen sehe, ab dem 15.03.2017 Negativzinsen von derzeit 0,4% pro Jahr zu berechnen.

BaFin erließ Untersagungsverfügung

Daraufhin untersagte die BaFin der Bank, Negativzinsen auf "Cash-Konten" bei ihren Bestandkunden zu erheben. Sie stützte ihre Verfügung auf die Vorschrift des § 4 Abs. 1a S. 2 FinDAG. Danach wird sie ermächtigt, Anordnungen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu beseitigen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint. Die Bank klagte gegen die Untersagungsverfügung.

VG: Generelle Klärung durch BaFin war nicht geboten

Die Klage war erfolgreich. Das VG Frankfurt am Main hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Der durch Art. 1 Nr. 1 des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 03.07.2015 ins Gesetz aufgenommene § 4 Abs. 1a FinDAG gebe der BaFin eine eigenständige Befugnis, um Belange des Verbraucherschutzes aufsichtsrechtlich durchzusetzen. Zwingende gesetzliche Voraussetzung für ein aufsichtsbehördliches Einschreiten sei aber, dass eine generelle Klärung durch sie im Sinne des Verbraucherschutzes geboten erscheint. Dies verneint das VG. Die den Handlungsbereich der BaFin einschränkende Regelung des § 4 Abs. 1a S. 2 FinDAG werde nicht allein durch die Feststellung eines Missstandes erfüllt.

Bei Zivilgerichten waren bereits Verfahren gegen Negativzinsen anhängig

Das Gericht geht davon aus, dass verbraucherschutzrelevante Fragen traditionsgemäß vorrangig vor den Zivilgerichten im ordentlichen Rechtsweg abgehandelt würden und die Beklagte nur dann aufsichtsrechtlich agieren dürfe, wenn gerade eine generelle Klärung durch die BaFin geboten erscheint. Dies sei nur dann anzunehmen, wenn nicht schon im ordentlichen Rechtsweg den Belangen des Verbraucherschutzes in hinreichender Weise genüge getan wird. Da im vorliegenden Fall bereits mehrere Verfahren im Hinblick auf die Erhebung von Negativzinsen und die Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Banken und Sparkassen vor den Obergerichten und dem Bundesgerichtshof anhängig gewesen seien und sich der BGH darüber hinaus im April 2021 in mehreren Entscheidungen zur Wirksamkeit der Änderungen der AGB der Banken und Sparkassen geäußert habe, sei ein aufsichtsbehördliches Handeln der Beklagte nicht mehr geboten gewesen.

Einschreiten der BaFin nur subsidiär

Der Gesetzgeber habe in der Begründung zu § 4 Abs. 1a FinDAG zum Ausdruck gebracht, dass verbraucherschutzrelevante Umstände zunächst vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit aufgrund ihrer Sachnähe abzuhandeln seien und ein Einschreiten der Beklagten nur subsidiär sei. Erst dann, wenn aufgrund vorangegangener höchstrichterlicher Entscheidungen zur Frage der Wirksamkeit vertraglicher Änderungen bei der Festlegung von Negativzinsen auf der Grundlage der AGB der Banken und Sparkassen die einzelnen Banken den Handlungspflichten nicht nachkämen, könne darin ein Missstand im Sinn des § 4 Abs. 1a Satz 2 und 3 FinDAG liegen, der eine generelle Klärung durch die BaFin geboten erscheinen lasse. Dies konnte laut VG im vorliegenden Fall jedoch nicht angenommen werden.

VG Frankfurt a. M., Urteil vom 24.06.2021 - 7 K 2237/20.F

Redaktion beck-aktuell, 7. Juli 2021.