Tummelplatz für Rechtsextreme: Keine Ausreiseverbot für "European Fight Night"-Besucher

Ein mutmaßlich Rechtsextremer wollte in Budapest an einer Kampfsportveranstaltung der rechtsextremen Szene teilnehmen. Doch die Bundespolizei verbot ihm die Ausreise nach Ungarn – zu Unrecht, wie das VG Frankfurt a.M. jetzt entschied.

Damit war eine Fortsetzungsfeststellungsklage des Mannes erfolgreich, der nächstes Jahr wieder zur "European Fight Night" reisen will. Das Ausreiseverbot habe den Deutschen in seinen Rechten verletzt, so das VG. Insbesondere habe er als Unionsbürger nach Art. 45 Abs. 1 GRCh das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Das entspreche auch Art. 21 Abs. 1 AEUV, der die Freizügigkeit normiert. Auch seine allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG sei tangiert. Die Voraussetzungen des Passgesetzes, die ein Ausreiseverbot rechtfertigen, hätten nicht vorgelegen.

Boxhandschuhe und Merchandise gefunden

Der Hobby-Boxer war auf dem Weg nach Budapest an der Flughafen-Sicherheitskontrolle von der Bundespolizei aufgehalten und befragt worden, denn laut polizeilicher Auskunftssysteme war er in der Vergangenheit bereits wegen Volksverhetzung und Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen verurteilt worden.

Eine Befragung und Gepäckkontrolle schafften Klarheit: Bei der Durchsuchung fanden die Behörden zwei T-Shirts mit dem Aufdruck "Kampf der Nibelungen" – einer verbotenen Kampfsportveranstaltung – sowie eine Jacke mit dem Sticker "KdN" und zwei Paar Boxhandschuhe. Auch gab der Mann an, als Mitveranstalter und Ringrichter bei der "European Fight Night" auftreten zu wollen. Die Bundespolizei verbot ihm daraufhin die Ausreise und erlegte ihm obendrein bei Androhung eines Zwangsgelds die Pflicht auf, sich täglich bei der Polizei zu melden.

Wer keinen Pass bekäme, darf auch an der Ausreise gehindert werden

Das Ausreiseverbot stützen die Beamten auf § 10 Abs. 1 S. 2 PassG. Danach können die Behörden "einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 vorliegen."

§ 7 Abs. 1 PassG wiederum normiert, in welchen Fällen ein Pass versagt werden darf, so etwa nach Abs. 1 Nr. 1 der Norm, "wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet". Die Teilnahme an einer rechtsextremistischen Veranstaltung im Ausland begründe eine solche Gefährdung, argumentierte die Bundespolizeidirektion.

Sie beruft sich auf die Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz: Die "European Fight Night" könne danach bedeutend zu einer Radikalisierung und internationalen Vernetzung der rechtsextremen Szene beitragen und stärke diese in ihrer Haltung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Die Teilnahme deutscher Staatsangehöriger könne zudem das Ansehen der Bundesrepublik schädigen. So sah die Polizeidirektion insbesondere die 3. Alternative der Norm erfüllt, nämlich die Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik.

Rechtsradikale Gesinnung allein reicht nicht

Das sah das VG Frankfurt a.M. nun anders. Die Bundespolizei habe nur auf die rechtsradikale Überzeugung des Mannes abgestellt. Diese sei aber solange unerheblich, als daraus kein rechts- oder schutzgüterverletzendes Verhalten folge. Die Schwelle zur geforderten Gefährdung erheblicher Belange sei dagegen erst dann erreicht, wenn die Begehung schwerer Straftaten drohe, die auswärtige Beziehungen der Bundesrepublik gefährden könnten.

Grundsätzlich seien zudem auch rechtsextreme Äußerungen von der Meinungsfreiheit geschützt, so das Gericht. Dass die Aussagen des Mannes über die Schranken dieses Schutzes hinausgingen, habe die Polizei gerade nicht dargelegt. Dass eine politische Einstellung missbilligt werde und man deren Äußerung im Ausland unterbinden wolle, genügte dem VG nicht, um einen Eingriff in die grundsätzlich bestehende Ausreisefreiheit als gerechtfertigt anzusehen.

Gefahrenprognose muss gerichtlich überprüfbar sein

Zudem stellten die Richter und Richterinnen klar: Wann immer die Polizei ein Ausreiseverbot auf die Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland stützt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG), müsse die Gefahrenprognose gerichtlich überprüfbar sein. Dass sie in ein praktisch "unüberprüfbares Ermessen" der Behörde gestellt werde, verbiete sich schon von Verfassung wegen. Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssten daher nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind.

VG Frankfurt a. M., Urteil vom 27.08.2024 - 5 K 1842/23.F

Redaktion beck-aktuell, dd, 16. Oktober 2024.

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