VG Dresden zu asylrelevanter Lage in Libyen: Volksgruppe der Tawergha gefährdet

Das Verwaltungsgericht Dresden hat auf der Grundlage seiner mündlichen Verhandlungen vom 22.09.2017 in sechs Verfahren erstmalig über grundsätzliche Fragen zur aktuellen asylrelevanten Lage in Libyen entschieden. Fünf Klagen blieben erfolglos und wurden abgewiesen. Eine Familie aus der Volksgruppe der Tawergha erzielte einen Teilerfolg. Ihr sprach das Gericht subsidiären Schutz zu (Az.: 12 K 631/16.A, 12 K 1598/16.A, 12 K 2028/16.A, 12 K 2300/16.A, 12 K 4204/17.A sowie 12 K 304/17.A).

BAMF verneinte Vorliegen der Schutzvoraussetzungen

Das Gericht hatte eigenen Angaben zufolge darüber zu entscheiden, ob den jeweiligen Klägern der von ihnen begehrte Flüchtlingsstatus zuzuerkennen ist oder ihnen zumindest der subsidiäre Schutz zusteht beziehungsweise nationale Hindernisse einer Abschiebung entgegenstehen. Nur im Erfolgsfall stehe den Klägern ein weiteres Aufenthaltsrecht in Deutschland zu, erläuterte das VG. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setze voraus, dass die Betroffenen aufgrund eines bestimmten Verfolgungsgrundes mit landesweiten Verfolgungshandlungen ihres Heimatstaates oder dortiger Gruppen rechnen müssen. Subsidiär schutzberechtigt sei ein Ausländer, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter, etwa bürgerkriegsbedingter, Schaden droht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe dies bei keinem der Kläger erkennen können und die Asylanträge abgelehnt.

VG musste über Sicherheitslage in Libyen und Verfolgungsgefahr befinden

Bei der Überprüfung der ablehnenden Bescheide habe das VG grundsätzliche Fragen sowohl zur Sicherheitslage in Libyen als auch zur Verfolgungsgefahr im Allgemeinen und für die Volksgruppen der Palästinenser und Tawergha im Besonderen beantworten müssen. Auch sei es um eine mögliche Verfolgungsgefahr für Sympathisanten und Unterstützer des ehemaligen Gaddafi-Regimes gegangen. Unter Berücksichtigung der sehr schwierigen und instabilen Lage in Libyen habe das Gericht beurteilen müssen, ob die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe oder die durch die einzelnen Kläger vorgetragene individuelle Situation zu einem asylrechtlichen Schutzstatus führt.

Asylrechtlich relevante Gefahr nur für Volksgruppe der Tawergha gesehen

Beurteilungsgrundlage waren laut VG die vorliegenden Auskünfte des Auswärtigen Amtes, Berichte von Nichtregierungsorganisationen und zahlreiche weitere Erkenntnismittel. Unter Würdigung des jeweiligen individuellen Vortrags der Kläger sei das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass lediglich das Verfahren der Kläger, die der Volksgruppe der Tawergha angehören, teilweise Erfolg haben könne. Nach Überzeugung des VG sind Mitglieder dieser aus ihrer Heimatstadt Tawergha vertriebenen Volksgruppe bei einer Rückkehr nach Libyen aufgrund einer ihnen zugeschriebenen Nähe zum ehemaligen Gaddafi-Regime einer asylrechtlich relevanten Gefahr ausgesetzt. In den übrigen verhandelten Fällen sahen die Richter keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine solche Gefährdung.

Zulassung der Berufung jeweils noch möglich

Die schriftlichen Urteilsbegründungen werden den Beteiligten in nächster Zeit zugestellt. Gegen die Entscheidungen kann dann binnen eines Monats ein Antrag auf Zulassung der Berufung durch das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen gestellt werden.

VG Dresden - 12 K 631/16.A

Redaktion beck-aktuell, 26. September 2017.

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