Umstrittener islamischer Prediger wird doch nicht ausgewiesen

Ein Prediger des Islamischen Kulturzentrums e.V. (IKZ) in Bremen darf in Deutschland bleiben. Das Verwaltungsgericht Bremen hat die mit einer Abschiebungsandrohung verbundene Ausweisung des Mannes aufgehoben und damit seiner Klage stattgegeben. Anders als zuvor das Innenressort sah das Gericht durch seine Predigten keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Deutschland, die eine Ausweisung des nicht vorbestraften Klägers rechtfertigen würde.

Islamischer Prediger sollte für 20 Jahre ausgewiesen werden

Der seit 2001 in Deutschland lebende Kläger leitet seit 2006 als Imam und Vorbeter das Freitagsgebet im IKZ in Bremen. Hierbei erreicht er eine Besucherzahl von circa 400 bis 500 Personen. Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie wurden diese Gebete auch über Facebook übertragen. Im Jahr 2021 hatte der Bremer Innensenator die Ausweisung des Klägers für die Dauer von 20 Jahren angeordnet, da durch den Inhalt seiner Predigten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entstehe. Der Kläger unterstütze terroristische Vereinigungen und schüre Hass auf bestimmte Personengruppen. Als Beleg wurden zahlreiche Aussagen des Klägers, gesammelt vom Landesverfassungsschutz Bremen in den Jahren 2014 bis 2021, herangezogen. Der Kläger hat hiergegen Klage erhoben - mit Erfolg.

Kläger bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten

Nach Ansicht des Gerichts liegen die Voraussetzungen einer Ausweisung des nicht vorbestraften Klägers gestützt auf eine prognostizierte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aufgrund seiner Predigten nicht vor. Der Kläger erfülle nicht die Tatbestandsvoraussetzungen der § 54 Abs. 1 Nr. 2 und 5 AufenthG, nach denen eine Ausweisung ohne vorhergehende strafrechtliche Verurteilung möglich ist. Aus den vom Landesverfassungsschutz zusammengetragenen Aussagen des Klägers in seinen Predigten lasse sich keine Unterstützung terroristischer Organisationen ableiten. Teilweise stellten die von dem Kläger explizit erwähnten Gruppierungen bereits keine Terrororganisationen dar.

Aussagen von Meinungs- und Glaubensfreiheit geschützt

Im Übrigen seien die Aussagen nicht hinreichend konkret, um eine Gefährdung im Sinn des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu begründen. Der Kläger rufe auch nicht zum Hass gegen bestimmte Personengruppen in Deutschland auf. Zwar bekräftige er in seinen Predigten seinen eigenen Glauben und fordere seine Zuhörer dazu auf, diesbezüglich ebenfalls standhaft zu sein. Damit sei jedoch die Schwelle zum Hassaufruf nicht erreicht. Seine Aussagen über die Stellung von Frau und Mann, zur Kindererziehung und zu einzelnen Grundrechten bewegten sich noch im Rahmen der Meinungs- und Glaubensfreiheit. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ergebe sich daher nicht.

VG Bremen, Urteil vom 01.07.2022 - 2 K 1260/21

Miriam Montag, 2. September 2022.