Für das BVerfG ist es nicht die erste Vorlage zu diesem Thema. Ursprünglich geklagt hatte eine Berliner Medizin-Studentin des ersten Studienjahres im Jahr 2016. Ihre Klage auf höhere Ausbildungsförderung stellte das VG Berlin nach einem Antrag der Klägerin und des BAföG-Amtes zurück, da beim BVerwG ein Parallelverfahren anhängig war (Az. 5 C 11.18), das dann im Mai 2021 wiederum dem BVerfG vorgelegt wurde. Das BVerfG hat über diese Vorlage noch nicht entschieden.
In dem neuen Verfahren hat wieder eine Medizin-Studentin gegen die Höhe der BAföG-Leistungen geklagt. Bei ihr ging es um die Leistungen in ihrem fünften Studienjahr (Oktober 2021 bis September 2022). Sie macht eine zu niedrige Bedarfsbemessung geltend.
Da das VG Berlin als Fachgericht nicht befugt ist, die Verfassungswidrigkeit eines Parlamentsgesetzes selbst festzustellen, hat es die Sache nun ebenfalls dem BVerfG vorgelegt (Vorlagebeschluss vom 05.06.2024 – VG 18 K 342/22).
Als Begründung führte es aus, die Regelungen seien nicht mit dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten gemäß Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, die Wahrung gleicher Bildungschancen zu gewährleisten und allen Qualifizierten eine (Hochschul-) Ausbildung zu ermöglichen. Daraus folge ein Rechtsanspruch auf Ausbildungsförderung. Der Gesetzgeber habe dem zwar mit den BAföG-Regelungen Rechnung getragen – allerdings verfehlen die für 2021 geltenden Bedarfssätze nach Ansicht des VG die Gewährleistung eines ausbildungsbezogenen Existenzminimums. Dies gelte sowohl für den festgelegten Grundbedarf als auch für den Unterkunftsbedarf.
Pauschalisierungsbefugnis an verfassungsrechtlicher Grenze
Im Vergleich zu der Regelbedarfsstufe 1 bei Hartz IV (ab 2023: Bürgergeld) von 446 Euro sei die Bemessung des BAföG-Grundbedarfs mit 427 Euro "evident zu niedrig". Auch zu niedrig falle der Unterkunftsbedarf mit 325 Euro aus. Im Sommersemester 2021 hätten bereits 53% der Studierenden monatliche Mietausgaben von über 351 Euro gehabt, teils sogar deutlich darüber.
Zudem verwende das BAföG den falschen Vergleichsmaßstab. Es dürfe kein Gesamtdurchschnitt der Unterkunftskosten im gesamten Bundesgebiet gebildet werden, vielmehr sei ein Durchschnittswert der Unterkunftskosten am Studienort der studierenden Person oder "jedenfalls an vergleichbaren Studienorten" angebracht. Grundsätzlich dürfe der Gesetzgeber zwar pauschalisieren, aber er dürfe regionale Unterschiede nicht komplett ignorieren. So bestehe zwischen Bundesländern ein Unterschied von bis zu 140 Euro, zwischen einzelnen Hochschulorten wie München und Freiberg in Sachsen gar bis zu 230 Euro.
Auch attestierte das VG Berlin dem Gesetzgeber schwerwiegende methodische Fehler bei der Festlegung des Bedarfssatzes. Erstens seien fehlerhaft als Referenzgruppe auch solche Studierendenhaushalte einbezogen worden, die lediglich über ein Einkommen in Höhe der BAföG-Leistungen verfügten. Zweitens dürften mögliche Nebenverdienste und Kindergeld der Studierenden nicht berücksichtigt werden. Drittens sei eine Differenzierung zwischen Kosten für den Lebensunterhalt und Kosten für die Ausbildung bzw. zwischen Kosten der Unterkunft und Kosten für die Heizung nicht erfolgt. Und viertens sei nicht beachtet worden, dass eine zeitnahe Anpassung der Bedarfssätze an sich ändernde wirtschaftliche Verhältnisse erfolgen müsse.