Von Motorradclub geplanter Korso ist geschützte Demo gegen "Kuttenverbot"

In Berlin will ein Motorradclub Ende Oktober 2020 einen Motorradkorso gegen das "Kuttenverbot" veranstalten. Das Verwaltungsgericht Berlin kam am 08.10.2020 in einem Eilverfahren zu dem Ergebnis, dass der Zweck des Korsos, gegen das "Kuttenverbot" zu protestieren, nicht nur vorgeschoben sei, und es sich daher um eine geschützte Versammlung handele.

Motorradkorso als Versammlung gegen "Kuttenverbot" angemeldet

Der Antragsteller plant am 31.10.2020 einen Motorradkorso mit 60 Teilnehmern. Seinen Angaben zufolge steht der Korso unter dem Motto "Gegen die Abschaffung der Vereinsfreiheit, insbesondere die Änderung des § 9 Vereinsgesetz". Er meldet diese Veranstaltung als Versammlung an. Der Polizeipräsident stellte per sofort vollziehbarem Bescheid vom 17.09.2020 fest, dass der Korso keine von der Verfassung geschützte Versammlung darstelle. Dem lag die Annahme zugrunde, dass das Veranstaltungsthema nur vorgeschoben sei.

Polizeipräsident hielt Veranstaltungsthema für vorgeschoben

Bereits in den vergangenen Jahren hätten jeweils am 31.10.2020 Motorradkorsos des Motorradclubs stattgefunden, die jeweils vom Clubhaus zum Alten St. Matthäus-Kirchhof geführt hätten, wo ein 2015 verstorbenes prominentes Clubmitglied beerdigt sei. Der Anlass dieser Fahrten sei allein das Gedenken an das verstorbene Mitglied gewesen. Die Teilnehmer, deren Zahl über die Jahre gewachsen sei, seien dabei nach eigenen Regeln gefahren und hätten deshalb 2019 Probleme mit der Polizei bekommen. Deshalb erfolge die Anmeldung als Versammlung dem Polizeipräsidenten zufolge in Wahrheit nur, um Schwierigkeiten beim Erhalt der erforderlichen verkehrsrechtlichen Erlaubnis zu umgehen. Dagegen begehrte der Antragsteller Eilrechtsschutz.

VG: Geplanter Korso ist geschützte Versammlung

Das VG hat dem Eilantrag stattgegeben. Der Bescheid sei bei summarischer Prüfung offensichtlich rechtswidrig. Die Versammlungsfreiheit schütze die Freiheit kollektiver Meinungskundgabe zur Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Diese Meinungskundgabe könne auch in Form eines Aufzugs mit Motorrädern erfolgen. Es sei auch nicht feststellbar, dass der Zweck der kollektiven Meinungskundgabe nur vorgeschoben sei.

Zweck nicht nur vorgeschoben

Der Antragsteller habe plausibel dargelegt, dass die Teilnehmer T-Shirts mit Aussagen gegen das sogenannte Kuttenverbot tragen würden. Für die Stichhaltigkeit dieser Angaben spreche, dass die vom Antragsteller bereits 2017 und 2019 durchgeführten Aufzüge sich ebenfalls in einheitlicher Bekleidung gegen die vom ihm besorgte "Abschaffung der Vereinsfreiheit" gerichtet hätten, worüber Aufmerksamkeit in den sozialen Medien erzeugt worden sei.

Grabinschrift musste wegen Gesetzesschärfung teilweise unkenntlich gemacht werden

Der Annahme kollektiver Meinungskundgabe stehe schließlich nicht die vom Antragsgegner angenommene Fahrtroute zum Alten St. Matthäus-Kirchhof entgegen. Auch diese stehe im Zusammenhang mit dem Versammlungsthema. Denn infolge der zum Veranstaltungsthema gemachten Gesetzesänderung habe die Inschrift auf dem Grabstein des verstorbenen Mitglieds in nicht unerheblichem Umfang unkenntlich gemacht werden müssen.

VG Berlin, Beschluss vom 08.10.2020 - 1 L 339/20

Redaktion beck-aktuell, 9. Oktober 2020.