VG Berlin: Sonntagsöffnungen im Land Berlin waren rechtswidrig

Die Festsetzung flächendeckender verkaufsoffener Sonntage in Berlin aus Anlass der Internationalen Grünen Woche, der Berlinale, der Internationalen Tourismus-Börse Berlin und der Berlin Art Week im Jahr 2018 war rechtswidrig. Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteilen vom 05.04.2019 entschieden. Aufgrund der räumlich begrenzten Wirkungen der Veranstaltungen habe kein öffentliches Interesse an den Öffnungen bestanden. Auf eine Sonderstellung als Tourismusmetropole könne sich Berlin nicht berufen. Das VG hat sowohl die Berufung als auch die Sprungrevision zugelassen (Az.: VG 4 K 527.17 und VG 4 K 322.18).

Verkaufsoffene Sonntage galten für ganz Berlin

Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales hatte im November 2017 und im August 2018 verkaufsoffene Sonntage festgelegt, an denen alle Verkaufsstellen im Land Berlin in der Zeit von 13.00 bis 20.00 Uhr öffnen durften. Dabei handelte es sich um Sonntage im Jahr 2018, die im zeitlichen Kontext zur Internationalen Grünen Woche, zur Berlinale, zur Internationalen Tourismus-Börse Berlin sowie zur Berlin Art Week standen.

Gewerkschaft: Sonntagsöffnungen kein bloßer Annex zu Großveranstaltungen

Dagegen klagte eine Dienstleistungsgewerkschaft. Sie begehrte in beiden Verfahren die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Festlegungen. An Ausnahmen von der grundgesetzlich geschützten Sonntagsruhe seien hohe Anforderungen zu stellen. Die Ladenöffnung am Sonntag dürfe selbst nicht prägend sein, sondern müsse als Annex zu einer Anlassveranstaltung wahrgenommen werden. Das sei angesichts der Größe der Verkaufsfläche im Land Berlin und ihrer Verteilung im ganzen Stadtgebiet nicht der Fall gewesen.

Land: Touristische Rolle Berlins zu berücksichtigen

Der Beklagte war hingegen der Ansicht, dass ein verkaufsoffener Sonntag bereits dann festgelegt werden könne, wenn eine Veranstaltung eine Vielzahl von Touristen nach Berlin anziehe und für die Stadt als Ganzes bedeutend sei. Dies folge aus der besonderen Struktur und der touristischen Rolle Berlins.

VG verneint öffentliches Interesse: Veranstaltungswirkungen nur räumlich begrenzt

Laut VG standen die monierten Sonntagsöffnungen im Jahr 2018 nicht im Einklang mit dem Berliner Ladenöffnungsgesetz. Das Gesetz verlange für die Festlegung einer Sonntagsöffnung im gesamten Stadtgebiet ein öffentliches Interesse. Das habe jeweils nicht vorgelegen. Denn der Anlass der verkaufsoffenen Sonntage sei jeweils nicht berlinweit zu bemerken gewesen, sondern nur auf einer im Verhältnis zur Gesamtgröße Berlins kleinen Fläche. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sei die im Grundgesetz geschützte Sonntagsruhe zu beachten. Es bedürfe daher eines sachlichen Grundes für eine Ausnahme hiervon. Bloße wirtschaftliche Umsatzinteressen der Verkaufsstelleninhaber sowie ein alltägliches "Shopping-Interesse" potenzieller Käufer reichten dafür grundsätzlich nicht aus.

Kein bloßer Annex zu den Großveranstaltungen – Berufung auf Sonderstellung Berlins nicht möglich

Wie das VG weiter ausführt, habe außerdem das Bundesverwaltungsgericht in seiner sogenannten Anlassrechtsprechung weitere, aus der Sonntagsruhe folgende verfassungsrechtliche Vorgaben ausgeformt. Diese müsse das Land Berlin bei der Anwendung des Begriffs "öffentliches Interesse" berücksichtigen. Danach dürften sich Sonntagsöffnungen lediglich als Annex zu einem durch die Anlassveranstaltung ausgelösten Besucherstrom darstellen. Diese Rechtsprechung sei hier anzuwenden. Berlin könne insoweit keine Sonderstellung für sich in Anspruch nehmen. Das gelte jedenfalls dann, wenn – wie hier – Anknüpfungspunkt der Sonntagsöffnung gerade besondere Veranstaltungen gewesen seien. 

VG Berlin, Urteil vom 05.04.2019 - 4 K 527.17

Redaktion beck-aktuell, 8. April 2019.

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