VG Ber­lin: Po­li­zei­recht kein Mit­tel zur dau­er­haf­ten Be­kämp­fung von Ob­dach­lo­sig­keit

Ob­dach­lo­se kön­nen ihre Un­ter­brin­gung nach einem Eil­be­schluss des Ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin wegen des Vor­rangs des So­zi­al­rechts nicht dau­er­haft auf der Grund­la­ge des Po­li­zei­rechts be­an­spru­chen. Dies stellt das Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin klar (Be­schluss vom 18.10.2017, Az.: VG 23 L 747.17).

Ru­mä­ni­sche Fa­mi­lie be­gehrt Un­ter­brin­gung

Die An­trag­stel­ler, eine Fa­mi­lie mit vier min­der­jäh­ri­gen Kin­dern, sind ru­mä­ni­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge. Sie be­geh­ren ihre Un­ter­brin­gung nach Ma­ß­ga­be des Po­li­zei­rechts wegen an­sons­ten ein­tre­ten­der Ob­dach­lo­sig­keit. Im April 2016 hat­ten sie vor dem Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg eine einst­wei­li­ge An­ord­nung er­wirkt, mit der das Be­zirks­amt Mitte von Ber­lin ver­pflich­tet wurde, sie vor­läu­fig für drei Mo­na­te in eine Ob­dach­lo­sen­ein­rich­tung oder in eine sons­ti­ge Woh­nung ein­zu­wei­sen. Das Lan­des­so­zi­al­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg sprach den An­trag­stel­lern im Mai 2016 Leis­tun­gen nach dem SGB II zu, die sie auch ak­tu­ell be­zie­hen.

Po­li­zei­recht­li­cher An­spruch be­steht nicht mehr

Das VG Ber­lin wies den Eil­an­trag zu­rück, weil der gel­tend ge­mach­te po­li­zei­recht­li­che An­spruch nicht mehr be­stehe. Ob­dach­lo­sig­keit stel­le zwar eine Ge­fahr für die öf­fent­li­che Si­cher­heit dar, zu deren Ab­wen­dung die Ord­nungs­be­hör­den ver­pflich­tet sein könn­ten. Al­ler­dings seien ord­nungs­po­li­zei­li­che Maß­nah­men zur Ver­hin­de­rung von Ob­dach­lo­sig­keit ge­gen­über dem So­zi­al­recht nach­ran­gig. Ein vor­über­ge­hen­der ge­fah­ren­ab­wehr­recht­li­cher Un­ter­brin­gungs­an­spruch be­stehe daher nur in aku­ten Not­la­gen, wenn die dro­hen­de Ob­dach­lo­sig­keit nicht mit Hilfe des So­zi­al­leis­tungs­trä­gers in zu­mut­ba­rer Weise und Zeit be­ho­ben wer­den könne.

Ob­dach­lo­sen­ein­wei­sung des Po­li­zei­rechts ge­währt kein Recht auf Dau­er­woh­nen

Hier sei die ord­nungs­be­hörd­li­che Un­ter­brin­gung der An­trag­stel­ler in­zwi­schen in ein Dau­er­woh­nen "um­ge­schla­gen", das aber wegen des Vor­rangs des So­zi­al­rechts von der Ob­dach­lo­sen­ein­wei­sung nicht ge­deckt sei. Die An­trag­stel­ler hät­ten sich zwi­schen­zeit­lich zu­mut­ba­rer­wei­se um die An­mie­tung einer Woh­nung be­mü­hen kön­nen, dies aber nicht getan. Eine Ver­län­ge­rung die­ses Zu­stands laufe aber dem Ob­dach­lo­sen­recht wegen der vor­über­ge­hen­den Natur des ge­fah­ren­ab­wehr­recht­li­chen Un­ter­brin­gungs­an­spruchs zu­wi­der. Gegen den Be­schluss kann Be­schwer­de beim Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg ein­ge­legt wer­den.

VG Berlin, Beschluss vom 18.10.2017 - 23 L 747.17

Redaktion beck-aktuell, 19. Oktober 2017.

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