Keine Aussagegenehmigung für Merkel und Seehofer

Das Verwaltungsgericht Berlin hat Altkanzlerin Merkel (CDU) und den frühere Bundesinnenminister Seehofer (CSU) daran gehindert, als Zeugen in einem Zivilprozess auszusagen. In dem Verfahren sei es um die Versetzung eines politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand gegangen. Eine Pflicht zur Aussage hierüber berge eine Gefahr für das Recht, den Leitungsbereich eines Ministeriums ohne Rechtfertigungsdruck mit Vertrauenspersonen zu besetzen.

Prozess wegen Presseberichterstattung - Gericht lädt Merkel und Seehofer als Zeugen

In einem beim OLG Hamburg anhängigen zivilrechtlichen Verfahren begehrt ein früherer Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium die Unterlassung einer Berichterstattung der "BILD am Sonntag". Diese hatte berichtet, die Versetzung des Abteilungsleiters in den einstweiligen Ruhestand im Frühsommer 2018 habe ihren Grund in der sogenannten Bremer BAMF-Affäre gehabt. Nach Auffassung des Abteilungsleiters trifft dies nicht zu. Das OLG hat im September 2021 beschlossen, über die Frage Beweis zu erheben durch Vernehmung der ehemaligen Bundeskanzlerin Merkel und des früheren Bundesinnenministers Seehofer. Das Bundeskabinett hat es im März 2022 jedoch abgelehnt, die hierfür erforderlichen Aussagegenehmigungen zu erteilen. Durch eine Aussage könnten die Hintergründe des allein auf Vertrauen, Loyalität und Verschwiegenheit beruhenden Verhältnisses zwischen dem Minister und leitenden Beamten seines Hauses offengelegt werden. Eine Zeugeneinvernahme könne daher die Erfüllung auch zukünftiger öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren.

VG verweist auf Verschwiegenheitspflicht der Regierungsmitglieder

Hiergegen wandte sich die Axel Springer SE mit einem Eilantrag, den das VG zurückwies. Die Versagung der Erteilung von Aussagegenehmigungen für die beiden früheren Mitglieder der Bundesregierung erweise sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Nach dem Bundesministergesetz seien die Regierungsmitglieder auch nach Beendigung ihres Amtsverhältnisses verpflichtet, über die ihnen amtlich bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Sie dürften über solche Angelegenheiten ohne Genehmigung der Bundesregierung weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben.

Entscheidungsfreiheit der Bundesminister in Personalfragen zu schützen

Eine Genehmigung solle zwar nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Dies sei hier jedoch der Fall. Eine etwaige Pflicht zur Offenbarung von Vorgängen im Zusammenhang mit der Versetzung eines politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand berühre die Entscheidungsfreiheit der Bundesministerinnen und Bundesminister in Personalfragen und damit das Recht, den Leitungsbereich eines Ministeriums ohne Rechtfertigungsdruck mit Vertrauenspersonen zu besetzen. Anderenfalls sei konkret zu befürchten, dass sich das Wissen um eine mögliche spätere Pflicht, vor Gericht zu Personalentscheidungen im Leitungsbereich auszusagen, negativ auf die Ausübung dieser Leitungsfunktion auswirken könnte.

Längeres Zurückliegen des Sachverhalts irrelevant

Daran ändere hier auch der Umstand nichts, dass der Sachverhalt bereits eine gewisse Zeit zurückliege. Denn eine anderslautende Entscheidung sei geeignet, auch zukünftige Mitglieder der Bundesregierung bei Entscheidungen über die Versetzung ihrer politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand zu beeinträchtigen. Gegen den Beschluss kann Beschwerde zum OVG Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

VG Berlin, Beschluss vom 01.11.2022 - 6 L 174/22

Redaktion beck-aktuell, 10. November 2022.