VG Berlin gestattet Demonstration gegen Corona-Politik unter Auflagen
corona_demo_berlin_august_CR Marc Vorwerk SULUPRESSDE
© Marc Vorwerk / SULUPRESS.DE / picture alliance
corona_demo_berlin_august_CR Marc Vorwerk SULUPRESSDE

Die von der Initiative "Querdenken 711" für Samstag geplante Versammlung gegen die Corona-Politik von Bund und Ländern kann nach einem Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Berlin stattfinden. Allerdings muss der Veranstalter einige Auflagen einhalten. Das letzte Wort muss hier aber noch nicht gesprochen sein. Die Berliner Polizei twitterte: "Wir schauen uns den Beschluss im Detail an und prüfen die Beschwerde dagegen. Update folgt."

Polizei untersagte Demonstration

Die Berliner Polizei hatte die als "Fest für Frieden und Freiheit" angemeldete Demonstration, zu der 22.500 Teilnehmer erwartet werden, mit der Begründung verboten, mit der Durchführung gingen Gefahren für die körperliche Unversehrtheit anderer einher. Aufgrund der Erfahrungen mit einer gleichgelagerten Versammlung am 01.08.2020 sei zu erwarten, dass die Teilnehmer die Vorgaben zum Infektionsschutz – insbesondere zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und zur Einhaltung eines Mindestabstands untereinander – nicht beachten werden. Daher gehe mit der Abhaltung der Veranstaltung ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko der Bevölkerung mit Covid-19 einher. Vor diesem Hintergrund seien mildere Mittel als ein Verbot zur Abwehr der Gefahr nicht ersichtlich.

Gefahrenprognose der Behörde nicht ausreichend für Verbot

Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte überwiegend Erfolg. Die 1. Kammer des VG verneinte eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Die von der Versammlungsbehörde angestellte Gefahrenprognose genüge nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Nach der SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung des Landes Berlin seien Versammlungen grundsätzlich zulässig. Hierbei nehme der Verordnungsgeber – wie die fehlende Obergrenze der Teilnehmerzahl zeige – ein erhöhtes Infektionsrisiko in gewissem Umfang in Kauf.

Veranstalter hat Hygienekonzept vorgelegt

Der Veranstalter habe das erforderliche Schutz- und Hygienekonzept vorgelegt. Es sei nicht zu erkennen, dass er das Abstandsgebot bewusst missachten werde. Eine solche Prognose lasse sich weder aus dem Verlauf der Versammlung am 01.08.2020, noch aus der kritischen Haltung der Teilnehmer zur Corona-Politik ableiten. Vielmehr habe der Anmelder unter anderem durch Ordner und Deeskalationsteams hinreichende Vorkehrungen dafür getroffen, entsprechend auf die Teilnehmer einzuwirken. Das Gericht weist außerdem darauf hin, dass das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung nur "erforderlichenfalls" Teil eines Schutz- und Hygienekonzepts sei. Unabhängig davon hat die Polizei aus Sicht des Gerichts Alternativen zum Versammlungsverbot nur unzureichend geprüft, etwa eine Änderung der Örtlichkeit oder eine Begrenzung der Teilnehmerzahl.

Auflagen sollen Einhaltung des Mindestabstandes sichern

Das Gericht hat dem Veranstalter allerdings Auflagen zur Einhaltung des Mindestabstands gemacht: Im Bühnenbereich müssen Gitter zur Vermeidung einer Personenballung aufgestellt werden. Außerdem muss mit Durchsagen und unter Einsatz von Ordnern sichergestellt werden, dass auch die übrigen Teilnehmer die Mindestabstände einhalten. Die Richter weisen zudem darauf hin, dass die Versammlungsbehörde weitere Auflagen zur Einhaltung des Mindestabstands erlassen kann.

Berlins Innensenator besorgt

Senat und Polizei standen wegen des Verbots und viel Kritik daran unter Druck. Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte die Verbotsverfügung in zahlreichen Interviews und Stellungnahmen erklärt. Zuletzt sprach er in der "Süddeutschen Zeitung" von ursprünglich 50.000 erwarteten Demonstranten. Darunter seien viele "aus dem rechtsextremistischen Spektrum mit einem erheblichen Aggressionspotenzial". Auch habe es erhebliche Gewaltandrohungen gegeben, sagte Geisel weiter. "Die Drohungen, die seit dem Verbot hier eingegangen sind, sind zu massiv. Das übersteigt in Menge und Aggressivität alles, was ich bisher erlebt habe." Linke Gruppen und Initiativen wollen am Samstag gegen die geplanten Corona-Demonstration protestieren.

VG Berlin, Beschluss vom 28.08.2020 - 1 L 296/20

Redaktion beck-aktuell, 28. August 2020 (ergänzt durch Material der dpa).