Eilverfahren von 22 Gastwirten
Nach SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung des Landes Berlin dürfen Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes vom 2. bis zum 30.11.2020 nicht für den Publikumsverkehr geöffnet werden. Hiergegen wandten sich 22 Gastwirte mit einem Eilverfahren, mit dem sie im Wesentlichen geltend machten, dem Verbot fehle es an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Das Verbot sei nicht notwendig, weil Gaststätten keine „Treiber der Pandemie“ seien. Ein milderes Mittel sei die Einhaltung der für Gaststätten geltenden Hygieneregeln. Schließlich liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor, weil Friseurgeschäfte und der Einzelhandel auch mit nicht lebensnotwendigen Artikeln geöffnet bleiben dürften und auch religiöse Veranstaltungen gestattet blieben.
Gaststätten im Land Berlin bleiben geschlossen
Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin hat den Eilantrag zurückgewiesen. In dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sei nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich das angegriffene Verbot in einem etwaigen Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen werde. Die Verordnung beruhe auf einer verfassungskonformen Rechtsgrundlage und verstoße weder gegen den Parlamentsvorbehalt oder das Wesentlichkeitsprinzip noch gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Verordnungsermächtigungen.
Gaststätten als Verbreitungsfaktor nicht auszuschließen
Das Verbot diene dem legitimen Ziel der Bekämpfung der Krankheit COVID-19, die sich insbesondere in Berlin in kürzester Zeit dramatisch verbreitet habe. Im Bezirk Neukölln, wo drei der Antragsteller ihre Gaststätten betrieben, liege die Inzidenz aktuell mit 332 Fällen pro 100.000 Einwohnern bundesweit sogar an erster Stelle. Die Aussage, Gaststätten trügen nicht wesentlich zur Verbreitung der Pandemie bei, sei nicht haltbar. Auch wenn das Robert Koch-Institut viele Ansteckungen auf den privaten Bereich zurückführe, ließen sich drei Viertel der Erkrankungen nicht mehr auf eine bestimmte Quelle zurückführen. Als eine Maßnahme eines Gesamtpakets zur Bekämpfung der Pandemie sei das Verbot daher geeignet.
Wegen zugesagten Entschädigungen ist Schließung auch angemessen
Es sei auch erforderlich, weil allein die Einhaltung der für Gaststätten bislang geltenden Hygienekonzepte nicht ausreiche. Die Gastronomie sei davon geprägt, dass Menschen nicht nur zur bloßen Nahrungsaufnahme zusammenkämen, sondern typischerweise auch, um Geselligkeit zu pflegen, zu kommunizieren und neue Kontakte zu knüpfen. Dies und die Tatsache, dass Gäste in Gaststätten keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen müssten, habe der Verordnungsgeber zulässigerweise in seine Abwägung einstellen dürfen. Der Eingriff in die Berufsfreiheit sei wegen der vom Bund für die Einnahmeausfälle zugesagten finanziellen Entschädigung der Betriebe auch angemessen. Die Ungleichbehandlung mit weiterhin geöffneten Betrieben und Einrichtungen verstoße schließlich nicht gegen den Gleichheitssatz. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Antragsteller sind Bürger und Unternehmer aus betroffenen Branchen
Unter den Antragstellern finden sich deutschlandweit vor allem Unternehmen aus den von den Einschränkungen betroffenen Branchen, etwa gastronomische Betriebe, Fitnessstudios, Konzertveranstalter oder Hotels. Auch die Betreiber von Schwimmbädern, Spielhallen, Wettbüros, Tattoo-, Sonnen- und Kosmetikstudios gehen juristisch gegen die Corona-Maßnahmen vor. Eilanträge bei den 51 Verwaltungsgerichten sowie den 15 Oberverwaltungsgerichten und Verwaltungsgerichtshöfen in Deutschland hätten zudem Bürger gestellt, die Besuchsverbote in Kliniken oder die Maskenpflicht auf Straßen und Plätzen nicht akzeptieren wollen, heißt es in dem von der Funke-Mediengruppe zitierten Bericht des DRB. Allein in Berlin hätten sich im November über 90 Kläger an die Verwaltungsgerichte gewandt - mehr als in jedem anderen Bundesland.
Rebehn: Klagewelle wird weiter wachsen
Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des DRB, rechnet damit, dass die Klagewelle weiter wächst. "Die Gerichte tun alles dafür, den Betroffenen möglichst schnell und effektiv Rechtsschutz zu gewähren“, sagte er den Funke-Zeitungen. Die Möglichkeit, Grundrechtseingriffe zeitnah überprüfen zu lassen, trage maßgeblich zur gesellschaftlichen Akzeptanz der Corona-Beschränkungen bei. "Nach einer ruhigeren Phase in den Sommermonaten ziehen die Verfahrenszahlen bei den meisten Gerichten seit Anfang Oktober wieder deutlich an“, so ein Gerichts-Sprecher. Die Erfolgsaussichten seien allerdings überschaubar. Bisher hätten die Gerichte die Corona-Beschränkungen ganz überwiegend bestätigt. Im Bundesdurchschnitt hat der Richterbund eine Erfolgsquote der Eilverfahren gegen staatliche Schutzmaßnahmen von rund 10% ermittelt.
Mehr als 5.000 Klagen seit Beginn der Pandemie
Seit Beginn der Pandemie im Frühjahr haben die Justiz nach Angaben des Richterbundes mehr als 5.000 Klagen und Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz gegen Corona-Beschränkungen erreicht. So haben die Verwaltungsgerichte über Kontaktverbote und Maskenpflicht, Geschäfts- und Schulschließungen, Versammlungsverbote oder Ausgangsbeschränkungen entschieden. Zuletzt ging es verstärkt auch um Beherbergungs- und Bewirtungsverbote, Sperrstunden und Reisebeschränkungen.