VG Berlin: Flüchtlingsschutz für Syrer bleibt umstritten

Ob Syrer allein aufgrund der (illegalen) Ausreise aus Syrien, der Asylantragstellung und des Aufenthalts in Deutschland die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus beanspruchen können, bleibt nach den ersten hierzu ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin umstritten. Dies teilt das Gericht unter Verweis auf ein Urteil seiner vierten Kammer vom 09.03.2017 (Az.: VG 4 K 572.16 A) und zwei Urteile seiner 23. Kammer vom 02.03.2017 (Az.: VG 23 K 1540.16 A und VG 23 K 1551.16 A) mit.

Erste Grundsatzentscheidungen in Asylverfahren von Syrern ergangen

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erkennt Syrern seit März 2016 nicht mehr generell die Flüchtlingseigenschaft zu, sondern gewährt ihnen im Regelfall nur noch subsidiären Schutz. Dies wirkt sich auf den Familiennachzug aus, den der Gesetzgeber vorerst bis März 2018 für nur subsidiär Schutzberechtigte ausgesetzt hat. Dies hat zu einer Vielzahl von Klagen geführt. Derzeit (Stand vom 28.02.2017) seien am VG Berlin 3.735 Asylverfahren syrischer Staatsangehöriger offen, für die insgesamt 13 Kammern zuständig sind. Zwei Kammern hätten nunmehr erste Grundsatzentscheidungen getroffen.

23. Kammer bejaht Voraussetzungen für Flüchtlingsstatus wegen drohender Verfolgung bei Rückkehr nach Syrien

Die 23. Kammer des VG hat – wie bundesweit eine überwiegende Zahl erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte, so das VG – das BAMF in zwei Verfahren verpflichtet, die jeweiligen Klägerinnen als Flüchtlinge anzuerkennen. Nach Wertung der vorliegenden aktuellen Erkenntnisse verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen sei die Asylantragstellung in Deutschland für das syrische Regime Anlass genug, um Rückkehrer einer oppositionellen Gesinnung zu verdächtigen. Ihnen drohe danach bei einer Wiedereinreise nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zielgerichtete Verfolgung, insbesondere eine Befragung unter Anwendung von Folter. Daher sei ihnen eine Rückkehr nicht zuzumuten. Das Vorgehen des syrischen Regimes im Inneren des Landes spreche dafür, dass sich mit Zuspitzung des Konflikts die Verfolgung mutmaßlicher Gegner sogar ausweite und verstärke.

Vierte Kammer sieht keine ausreichenden Anhaltspunkte für beachtliche Verfolgungsgefahr

Die vierte Kammer wertete die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse anders und wies daher die Klage eines 49-jährigen Syrers ab. Mit dieser Entscheidung folge die Kammer der überwiegenden Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte, erläutert das VG, wonach die genannten Gründe für sich genommen noch nicht die Prognose einer beachtlichen Verfolgungsgefahr einschließlich der Gefahr von Folter zuließen. Es lägen derzeit keine hinreichend aussagekräftigen Erkenntnisse zum Umgang des Regimes mit Rückkehrern vor. Bei der gebotenen Gesamtbewertung müsse unter anderem die Änderung der Situation im Vergleich zum Beginn des Bürgerkriegs berücksichtigt werden. So befänden sich Millionen von Flüchtlingen im Ausland, und der syrische Staat habe in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Pässe ausgestellt. Dies lasse nicht den Schluss zu, dass jeder Syrer, der hiervon Gebrauch mache, als Gegner angesehen werde und er daher zielgerichteter Verfolgung ausgesetzt sei.

Antrag auf Zulassung der Berufung beim OVG in allen Fällen statthaft

Nach dem Asylgesetz kann das VG auch in Fällen grundsätzlicher Bedeutung keine Berufung zum OVG zulassen. In allen Fällen sei daher der Antrag auf Zulassung der Berufung zum OVG Berlin-Brandenburg statthaft, das sich mit diesen Fragen noch nicht beschäftigt hat.

VG Berlin, Urteil vom 02.03.2017 - 23 K 1540.16 A

Redaktion beck-aktuell, 13. März 2017.

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