Familienministerium hat Beteiligungsrechte seiner Gleichstellungsbeauftragten verletzt

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat die Beteiligungsrechte seiner Gleichstellungsbeauftragten in zwei Fällen verletzt. Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteilen vom 27.04.2020 entschieden. In einem Fall sei sie zu Unrecht nicht an einem Besetzungsverfahren für eine Stelle beteiligt worden, für die sie sich selbst beworben hatte. Die Personenidentität schließe die Beteiligung nicht aus.

Gleichstellungsbeauftragte rügte Verletzung ihrer Beteiligungsrechte

Die Klägerin ist die Gleichstellungsbeauftragte im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Mit zwei Klagen von 2017 und 2018 rügte sie Verletzungen ihrer Beteiligungsrechte. Zum einen monierte sie, dass sie zur Leitungsklausur des BMFSFJ im Jahr 2016 nicht eingeladen worden sei. Zum anderen beanstandete sie, dass sie im Verfahren zur Besetzung der Leitung der beim BMFSFJ angebundenen Antidiskriminierungsstelle des Bundes, für die sie sich auch als Beamtin selbst beworben hatte, nicht beteiligt worden sei. Das BMFSFJ hatte die Klägerin zuvor vom Stellenbesetzungsverfahren mit der Begründung ausgeschlossen, sie könne nach 17 Jahren Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte nicht mehr als Beamtin beurteilt werden, die Klägerin als Gleichstellungsbeauftragte vor dieser Entscheidung aber nicht beteiligt.

VG: Klägerin hätte zur Leitungsklausur eingeladen werden müssen

Das VG hat beiden Klagen stattgegeben. Die unterlassene Einladung der Gleichstellungsbeauftragten zur jährlichen Leitungsklausur der Führungskräfte des BMFSFJ verletze ihre Beteiligungsrechte. Nach dem Zweck des Bundesgleichstellungsgesetzes sei die Gleichstellungsbeauftragte grundsätzlich auch an Dienstbesprechungen der Führungsebene ihrer Dienststelle zu beteiligen. Dies gelte jedenfalls für solche Besprechungen, für die im Vorfeld nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie Entscheidungsprozesse in personellen, organisatorischen oder sozialen Angelegenheiten wesentlich steuerten. Werde ein Thema, das die inneren Angelegenheiten des Ministeriums betreffe, für so wichtig erachtet, dass es auf der jährlichen Leitungsklausur vorgestellt werde, komme in Betracht, dass von dieser Leitungsklausur steuernde Impulse ausgingen.

Teils politischer Charakter der Leitungsklausur schließt Beteiligung nicht aus

Die nachträgliche Information sei nicht ausreichend, weil damit die gesetzliche Maßgabe, die Gleichstellungsbeauftragte zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beteiligen, nicht mehr erreicht werde. Der teilweise politische Charakter der Leitungsklausur schließe die Einladung ebenfalls nicht aus, sondern beschränke gegebenenfalls lediglich ihr Recht auf Teilnahme an einzelnen Tagesordnungspunkten.

Klägerin hätte auch im Stellenbesetzungsverfahren beteiligt werden müssen

Laut VG hätte die Gleichstellungsbeauftragte auch im Verfahren zur Besetzung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beteiligt werden müssen. Das vom BMFSFJ durchgeführte Auswahlverfahren sei eine beteiligungspflichtige personelle Angelegenheit im Sinne des Bundesgleichstellungsgesetzes. An solchen Angelegenheiten sei die Gleichstellungsbeauftragte frühzeitig zu beteiligen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Angelegenheit noch gestaltungsfähig sei. Eine nachträgliche Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten werde dem Zweck des Bundesgleichstellungsgesetzes nicht gerecht. Dieses versuche, gleichstellungspolitische Belange im Behördenhandeln nicht durch Entscheidungsbefugnisse, sondern durch Verfahrensrechte der Gleichstellungsbeauftragten zu sichern.

Personenidentität schließt Beteiligung nicht aus

Auch die zwischen der Klägerin (als Organ) und der Bewerberin bestehende Personenidentität habe das Ministerium nicht von der Verpflichtung enthoben, das gleichstellungsrechtliche Verfahren durchzuführen. Die Klägerin – und nicht etwa ihre Stellvertreterin – sei zu beteiligen gewesen, auch wenn sie als Bewerberin von der Personalangelegenheit selbst betroffen gewesen sei. Das Bundesgleichstellungsgesetz treffe keine Regelungen über den Ausschluss oder die Befangenheit der Gleichstellungsbeauftragten bei Betroffenheit in eigener Sache, sondern belasse die Lösung etwaiger Interessenskonflikte im Bereich abstrakter Organisationsregelungen. Dies sei nicht zu beanstanden, weil die Gleichstellungsbeauftragte nur das Recht auf Mitwirkung, Beteiligung oder Unterrichtung habe, nicht aber über Mitentscheidungs- oder Zustimmungsrechte verfüge, und damit nicht Richter in eigener Sache sein könne.

VG Berlin, Urteil vom 27.04.2020 - 5 K 50.17

Redaktion beck-aktuell, 3. Juli 2020.