VG Berlin: Böhmermann unterliegt im Streit um Äußerungen der Bundeskanzlerin zum "Schmähgedicht"

Der Satiriker und TV-Moderator Jan Böhmermann kann von der Bundesrepublik Deutschland keine Unterlassung im Zusammenhang mit Äußerungen der Bundeskanzlerin in einem Telefongespräch mit dem früheren türkischen Ministerpräsidenten zum sogenannten “Schmähgedicht“ verlangen. Der Sprecher der Bundesregierung durfte im April 2016 mitteilen, die Bundeskanzlerin und der Ministerpräsident hätten darin übereingestimmt, dass es sich dabei um einen “bewusst verletzenden Text“ handele. Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 16.04.2019 entschieden (Az.: 6 K 13.19).

Böhmermann klagte gegen Bezeichnung seines Schmähgedichts als “bewusst verletzend“

Böhmermann sieht sich durch die Äußerung der Bundeskanzlerin beziehungsweise die Mitteilung des Sprechers der Bundesregierung bei der Regierungspressekonferenz in seinen Grundrechten verletzt. Vorgerichtlich forderte er die Bundeskanzlerin vergeblich zu einer schriftlichen Unterlassungserklärung auf. Im Mai 2018 verklagte er die Bundesrepublik Deutschland auf Unterlassung, hilfsweise begehrte er die gerichtliche Feststellung, dass die öffentliche Erklärung vom April 2016 rechtswidrig sei.

VG weist Klage mangels Wiederholungsgefahr als unzulässig ab

Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Das Unterlassungsbegehren sei schon unzulässig, weil eine Wiederholung der beanstandeten Erklärung nicht zu erwarten sei. Die Bundeskanzlerin habe sich bereits im April 2016 von ihrer Äußerung distanziert; zudem habe die Beklagte im Gerichtsverfahren eine Wiederholung ausgeschlossen.

Erklärung der Kanzlerin war sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden

Die öffentliche Erklärung sei aber auch nicht rechtswidrig gewesen. Die Bundeskanzlerin könne sich auf ihre Kompetenz zur Staatsleitung stützen. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an staatliche Kommunikation seien gewahrt, das Sachlichkeitsgebot sei nicht verletzt.

Äußerung Merkels beinhaltete keine strafrechtliche Vorverurteilung

Die Äußerung stelle keine strafrechtliche Vorverurteilung dar, sondern sei ein vertretbares und allein auf den Text des Gedichts bezogenes Werturteil. Zudem habe die Erklärung ausdrücklich den hohen Wert betont, den die Bundesregierung der Presse- und Meinungsfreiheit beimesse. Daher sei es für die Beurteilung der Äußerung ohne Bedeutung, ob das Gedicht im Kontext betrachtet erlaubte Satire sei.

Regierungserklärung war mit Blick auf außenpolitische Bedeutung auch verhältnismäßig

Die öffentliche Erklärung wahre den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie sei durch das Informationsinteresse der Bevölkerung an den deutsch-türkischen Beziehungen und das Ziel transparenten Regierungshandelns gerechtfertigt. Demgegenüber gingen mit der Erklärung keine unangemessenen Nachteile für den Kläger einher.

VG Berlin, Urteil vom 16.04.2019 - 6 K 13.19

Redaktion beck-aktuell, 16. April 2019.