Bezirksstadtrat darf nur Wahres sagen und nicht unsachlich sein

Das Verwaltungsgericht Berlin hat in einem Eilverfahren dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg aufgegeben, vorerst bestimmte Äußerungen zu einem Immobilienunternehmen zu unterlassen. Der für das Bauen zuständige Stadtrat hatte unter anderem von einer Sanierungsverzögerung zu Entmietungszwecken gesprochen. Dafür fehle es an tatsächlichen Anhaltspunkten.

Baustadtrat sprach von "Verzögerungstaktik" zu Entmietungszwecken

Der Stadtrat hatte in der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung im Mai 2022 behauptet, die Antragstellerin habe im Zusammenhang mit der Sanierung eines ihr gehörenden Hauses bestimmte, vom Wohnungsamt angeforderte Unterlagen nicht eingereicht. Ferner hatte er unter anderem ausgeführt, bei der Antragstellerin komme es "knapp unter der Einhaltung von Vorschriften" zu Verzögerungen, Verschleppungen und Umgehungsversuchen "mit dem Ziel, hier Mieter und Mieterinnen zu entmieten und letztlich dieses Haus einer hohen Verwertung zuzuführen", was ein "extremes Beispiel für Spekulationen für den Raubbau an unserer Wohnstruktur" darstelle. Gegenüber der Presse wiederholte der Baustadtrat, die Antragstellerin führe die Sanierung des Hauses "sehr langsam" aus. Es sei von einer "Verzögerungstaktik" auszugehen, mit der Mieter und Mieterinnen „mürbe gemacht und zur Kündigung getrieben werden sollen“.

VG: Unwahre Tatsachenbehauptung und Sachlichkeitsgebot widersprechende Werturteile

Das VG hat dem auf Unterlassung gerichteten Eilantrag der Antragstellerin überwiegend stattgegeben. Bei der erstgenannten Äußerung handele es sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung, da die Antragstellerin die angeforderten Unterlagen vorgelegt hatte. Bei den übrigen Äußerungen handele es sich um Werturteile, die mit dem Sachlichkeitsgebot nicht vereinbar seien. Sie beruhten auf sachfremden Erwägungen, weil ihnen kein sachgerecht und vertretbar gewürdigter Tatsachenkern zugrunde liege.

Keine Anhaltspunkte für zielgerichtete Sanierungsverzögerung 

Die Äußerungen des Bezirksstadtrats zeichneten das negative Bild eines zielgerichtet agierenden Eigentümers, der die Sanierung von Wohnungen verzögere, um aus Gründen der Spekulation Mietverhältnisse zu beenden. Hierfür fehle es an tatsächlichen Anhaltspunkten. Denn das Bezirksamt selbst habe die Leerstandsgenehmigungen erteilt und verlängert und sei gerade nicht gegen die Antragstellerin nach dem Zweckentfremdungsrecht vorgegangen. Auch die Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten hätten nach der eigenen Auffassung des Bezirksamts nicht vorgelegen. Das Bezirksamt müsse sich die Äußerungen des Stadtrats zurechnen lassen.

VG Berlin, Beschluss vom 30.08.2022 - 2 L 239/22

Redaktion beck-aktuell, 31. August 2022.