Auswärtiges Amt muss Visum für afghanische Ortskraft erteilen

Eine in Afghanistan bis 2017 für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) tätige Ortskraft und dessen Kernfamilie können Visa zur Aufnahme nach Deutschland beanspruchen. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin heute in einem Eilverfahren entschieden. Ortskräfte und deren Familien könnten auch dann Aufnahme beanspruchen, wenn ihre Tätigkeit zumindest bis 2013 angedauert habe, stellte das Gericht klar.

Tätigkeit bereits 2017 beendet gewesen

Die Antragsteller, ein Ehepaar und drei Kinder, sind afghanische Staatsangehörige aus Kabul. Der Mann war bis September 2017 für die GIZ in der Funktion als "Field Officer" tätig. Da die Familie sich deshalb bedroht fühlt, wandten sie sich Anfang August 2021 an die das Auswärtige Amt mit dem Ziel der Ausreise. Dieses lehnte den Erlass einer entsprechenden Aufnahmeentscheidung mit dem Hinweis darauf ab, dass die Tätigkeit des Mannes bereits seit 2017 beendet sei. Die Familie ersuchte daraufhin beim VG um Eilrechtsschutz. Der Vater sei wegen seiner früheren Zusammenarbeit mit einer internationalen Organisation noch immer in Gefahr. Die Taliban würden nach ihm suchen. 2016 sei er bereits einmal angeschossen worden. Wegen praktizierter Sippenhaft sei auch seine Kernfamilie betroffen. Die Antragsgegnerin verteidigte ihre Ablehnung. Ein Anspruch auf Aufnahme bestehe nicht. Andernfalls müsste jeglichen bedrohten afghanischen Staatsbürgern ein solcher Anspruch zustehen. Der Erlass einer Aufnahmeentscheidung stehe in ihrem Ermessen, mit dem ihr außenpolitischer Handlungsspielraum eingeräumt sei.

Ermessen auf Null reduziert

Die Kammer hat dem Eilantrag jetzt stattgegeben. Neben einem Anordnungsgrund, der sich schon aus der Machtübernahme der Taliban und der hieraus erwachsenden Gefahr für Ortskräfte ergebe, sei auch ein Anordnungsanspruch auf Aufnahme mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Das der Antragsgegnerin durch § 22 AufenthG grundsätzlich eröffnete Ermessen sei hier infolge der Selbstbindung der Verwaltung auf Null reduziert. Denn anders als die Antragsgegnerin meine, handele es sich vorliegend nicht um beliebige afghanische Staatsangehörige, sondern um eine Ortskraft und dessen Familie. Wie sich der Berichterstattung aber entnehmen lasse, seien die Aufnahmekriterien der Antragsgegnerin hinsichtlich Ortskräften unlängst dahin geändert worden, dass ehemalige Ortskräfte und deren Familien auch dann Aufnahme beanspruchen könnten, wenn ihre Tätigkeit zumindest bis 2013 angedauert habe.

Volljährigkeit zweier Kinder steht nicht entgegen

Deshalb müsse sich der Antragsteller die Beendigung seiner Tätigkeit als Ortskraft im Jahr 2017 nicht entgegenhalten lassen. Auch die Volljährigkeit zweier seiner Kinder stehe deren Aufnahmeanspruch nicht entgegen. Denn auch insoweit habe der Bundesentwicklungsminister öffentlich erklärt, die gegenteilige Aufnahmepraxis, die volljährige Kinder von Ortskräften bislang unberücksichtigt ließ, zu ändern. Das reiche angesichts der außergewöhnlichen Umstände aus.

VG Berlin, Beschluss vom 25.08.2021 - 10 L 285/21 V

Redaktion beck-aktuell, 25. August 2021.

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