Im Streit um die Ausreise von drei EU-Bürgern und einer amerikanischen Person nach der Teilnahme an propalästinensischen Protesten hat einer der Betroffenen vor Gericht einen Erfolg erzielt. Das VG Berlin gab im Eilverfahren der Beschwerde eines Iren statt, wie eine Gerichtssprecherin auf Anfrage mitteilte (Beschluss vom 10.04.2025 - 24 L 91/25). Damit gilt der Bescheid des Berliner Landesamts für Einwanderung (LEA) vorerst nicht und der 29-Jährige muss Deutschland zunächst nicht verlassen.
Die Ausländerbehörde hatte dem Mann sowie einer Irin und einer Polin im März die EU-Freizügigkeitsrechte entzogen, im Fall der amerikanischen Person geht es um eine Ausweisung. Begründet wurde die Entscheidung mit deren Teilnahme an propalästinensischen Protesten.
Die Entscheidung sorgte für Kritik und Protest. Von den Personen gehe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus, erklärte Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) vergangene Woche im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Er verwies dabei vor allem auf gewaltsame Vorfälle an der Freien Universität Berlin (FU) am 17. Oktober 2024, bei der Vermummte in ein Gebäude eingedrungen waren und Beschäftigte bedroht hatten.
Ausländerbehörde hat Aufklärungspflicht verletzt
Aus Sicht des VG ist das LEA bei der Entscheidung über den Entzug der EU-Freiheitsrechte "seiner Amtsaufklärungspflicht nicht in ausreichendem Maße" nachgekommen. Die Ausländerbehörde habe versäumt, die Ermittlungsakten bei der Staatsanwaltschaft anzufordern. Im Kontext der Vorfälle an der FU gebe es gegen etwa 20 Menschen Strafanzeigen. Anhand der vorliegenden Unterlagen sei es nicht möglich festzustellen, in welchem Maße sich der 29-Jährige an der Aktion beteiligt habe. Dies sei aber unerlässlich, um eine Entscheidung treffen zu können.
Laut Verwaltungsgericht ist eine strafrechtliche Verurteilung nicht zwingend nötig für die Entscheidung über den Entzug der EU-Freiheitsrechte. Der Einzelfall müsse aber individuell geprüft werden, erklärten die Richter.
Laut Gericht gibt es derzeit 17 Ermittlungsverfahren gegen den Iren wegen Straftaten, die er im Rahmen von Versammlungen mit Bezug zum Nahost-Konflikt begangen haben soll - eines betrifft den Vorfall an der FU am 17. Oktober. Keines der Strafverfahren sei abgeschlossen.
Behörde will Akten zu Strafverfahren anfordern
Die Senatsinnenverwaltung teilte auf Anfrage mit, sie werde gegen die Entscheidung keine Beschwerde beim OVG Berlin-Brandenburg einlegen. Die Behörde warte das Urteil des Gerichts im Hauptsacheverfahren ab. Da der Ire auch Klage eingereicht hat, wird sich das Gericht noch eingehend mit dem Fall befassen.
Eine Sprecherin der Innenverwaltung kündigte jedoch an: "Sobald dies ohne Gefährdung der Ermittlungen möglich ist, werden die Strafverfahrensakten angefordert, um die Vorwürfe noch substantiierter darlegen zu können."
Auch die anderen Betroffen klagen vor dem VG. Sie wehren sich nach Gerichtsangaben zudem ebenfalls im Eilverfahren gegen die Entscheidungen des LEA. Über die Fälle entscheiden jeweils unterschiedliche Richter. Wann die Verfahren entschieden werden, ist noch offen.