VG Aachen: Stadt muss Diesel-Fahrverbot vorbereiten

Die Stadt Aachen muss nach einem Urteil des örtlichen Verwaltungsgerichts ein Diesel-Fahrverbot vorbereiten. Falls die Stadt und das Land Nordrhein-Westfalen bis Ende 2018 keine gleichwertige Alternative vorlegten, wie Stickstoffdioxid-Grenzwerte eingehalten werden können, müsse zum 01.01.2019 ein solches Verbot in Kraft treten. Dies sagte der Vorsitzende Richter Peter Roitzheim am 08.06.2018 (Az.: 6 K 2211/15). Die Berufung gegen die Entscheidung ist zugelassen.

Hintergrund: Grundsatzurteil des BVerwG

Damit ist zum ersten Mal ein regionales Gericht der Linie aus dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts (DAR 2018, 219) gefolgt. Dieses hatte Diesel-Fahrverbote prinzipiell für zulässig erklärt, wenn die Verhältnismäßigkeit gewahrt sei. Der EU-Grenzwert für das gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid muss seit 2010 verbindlich eingehalten werden. In vielen Städten gelingt das aber nicht.

VG Aachen: Luftreinhalteplan für Aachen muss geändert werden

Das VG hat das Land verurteilt, den Luftreinhalteplan für Aachen so fortzuschreiben, dass dieser zum 01.01.2019 die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Jahresmittelwerts für Stickstoffdioxid (NO²) im Stadtgebiet (40 µg/m³) enthält. Der Grenzwert für Stickstoffdioxid, der seit dem 01.01.2010 zwingend einzuhalten sei, sei an drei Messstellen des nordrhein-westfälischen Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz und zudem an sieben Messstellen der Stadt teilweise deutlich überschritten. Die Maßnahmen des derzeitigen Luftreinhalteplans, mit denen die Einhaltung des Grenzwertes sichergestellt werden sollte (zum Beispiel Ausweitung der Umweltzone, Nachrüstung der Busflotte, Förderung des ÖPNV), seien nicht ausreichend.

Aktuell vorgesehenes Maßnahmenbündel würde viel zu spät greifen

Das folgt laut VG bereits daraus, dass selbst bei konsequenter Verwirklichung aller im aktuellen Luftreinhalteplan festgelegten Maßnahmen die geforderte Einhaltung nicht vor dem Jahre 2025 zu erwarten sei. Das widerspreche den Vorgaben der maßgeblichen EU-Richtlinie. Sie fordere, dass der Zeitraum, in dem der Grenzwert nicht eingehalten werde, so kurz wie möglich sei. Auch das Bundesverwaltungsgericht habe in parallel gelagerten Fällen eine Einhaltung der Grenzwerte erst im Jahre 2020 oder 2024 nicht ausreichen lassen. Es gebe aber Maßnahmen, die in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden könnten und die eine schnellstmögliche Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid gewährleisten würden. Abschließende belastbare Zahlen zu den Auswirkungen der einzelnen in Betracht kommenden Maßnahmen, zu denen auch ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge zähle, lägen aber noch nicht vor. Diese seien in den nächsten Wochen zu erwarten.

Dieselfahrverbot höchstwahrscheinlich unumgänglich

Dem VG zufolge ist ein Dieselfahrverbot für die Stadt Aachen, wie das Ergebnis einer Studie des nordrhein-westfälischen Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz aus dem Jahre 2017 zeige, mit hoher Wahrscheinlichkeit das einzig geeignete Mittel, um schnellstmöglich die hier erforderliche Reduzierung der Stickstoffdioxidwerte im zweistelligen µg/m³-Bereich zu erzielen. Andere Maßnahmen kämen auch in Betracht. Das Gericht könne sich aber nicht vorstellen, welche das sein sollten. Das beklagte Land und die Stadt Aachen müssten sich daher mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Dieselfahrverbot ab dem 01.01.2019 einstellen und ein solches konkret vorbereiten.

Umfang des Fahrverbots gutachterlich zu klären

Dabei sei – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – auch zu prüfen, ob streckenbezogene Fahrverbote ausreichen würden oder ob Verbote für ganze Zonen erforderlich seien. Dies müsse durch Gutachter geklärt werden und sei nicht Aufgabe des Gerichts. Für ein Zonenfahrverbot sei auch zu erwägen, ob eine phasenweise Einführung geboten sei (etwa erst Geltung für ältere Fahrzeuge bis zur Abgasnorm Euro 4, später auch für die neueren Euro-5-Fahrzeuge) und ob bestimmte Ausnahmen zu machen seien (etwa für Anwohner oder Handwerker).

DUH: VG-Urteil richtungsweisend

Die DUH sprach von einem richtungsweisenden Urteil. "Die Entscheidung legt letztendlich auch die Latte vor und hoch, wie es in den 27 anderen Verfahren wahrscheinlich ausgehen wird", sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Er rechne in anderen Städten, wo die DUH ebenfalls klagt, mit vergleichbaren Urteilen. In Aachen habe der Richter deutlich gemacht, dass Alternativen zum Fahrverbot nicht sichtbar seien.

Land zweifelt weiter an Fahrverbot

Dagegen ist für das Land Nordrhein-Westfalen immer noch fraglich, ob das Fahrverbot am Ende tatsächlich kommt. Das lasse sich seriös erst abschätzen, wenn Daten zur erwarteten Schadstoffminderung einzelner Maßnahmen vorlägen, sagte der zuständige Abteilungsleiter Umwelt bei der Bezirksregierung Köln, Joachim Schwab. Erst auf dieser Datengrundlage könne man entscheiden, welche Maßnahme am besten geeignet und verhältnismäßig sei.

Städtetag: Autoindustrie in der Pflicht

Mit dem Aachener Urteil steige der Druck auf die Autoindustrie, ihren Widerstand gegen Hardware-Nachrüstungen für ältere Dieselwagen aufzugeben, meinte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy: "Es ist lange bekannt, dass Städte mit zu hohen Stickoxid-Werten mit ihren Maßnahmen das Problem abmildern, aber nicht lösen können." Die Bundesregierung müsse die Autobauer zu Hardware-Nachrüstungen verpflichten. Und als Verursacher müssten diese das dann auch finanzieren. Bisher sind nur Updates von Software der Abgasreinigung zugesagt.

Greenpeace: Weitere Fahrverbote drohen

Auch Greenpeace sieht Konsequenzen aus dem Urteil für die Autokonzerne. Die Luftprobleme der Städte seien zu groß, um sie ohne "beherzte Maßnahmen" zu lösen, erklärte Verkehrsexperte Benjamin Stephan. Wenn Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) weiterhin verpflichtende Hardware-Nachrüstungen und eine blaue Plakette blockiere, würden "bald Fahrverbote in anderen Städten folgen".

VG Aachen, Urteil vom 08.06.2018 - 6 K 2211/15

Redaktion beck-aktuell, 11. Juni 2018 (dpa).

Mehr zum Thema