Verwertungsverbot begrenzt Tattagprinzip des Fahreignungs-Bewertungssystems
führerschein_entzug_CR  Peter Maszlen adobe
© Peter Maszlen / stock.adobe.com
führerschein_entzug_CR Peter Maszlen adobe

Das Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG überlagert und begrenzt laut Bundesverwaltungsgericht das für die Berechnung des Punktestandes maßgebliche Tattagprinzip des Fahreignungs-Bewertungssystems. Die Löschung einer Eintragung im Fahreignungsregister habe auch dann, wenn der Zeitpunkt der Löschung zwar nach dem maßgeblichen Tattag, aber vor dem der Ergreifen einer Maßnahme liegt, zur Folge, dass diese Eintragung nicht mehr berücksichtigt werden darf.

Entziehung einer Fahrerlaubnis strittig

Der Kläger wandte sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis auf der Grundlage des Fahreignungs-Bewertungssystems (§ 4 StVG). Mit der Begehung einer weiteren rechtskräftig geahndeten Verkehrsordnungswidrigkeit am 19.07.2015 hatte er einen Stand von acht Punkten im Fahreignungsregister erreicht. Bei einem solchen Punktestand gilt der Betroffene gemäß § 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 3 StVG als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Daraufhin entzog ihm die Beklagte mit Bescheid vom 24.11.2016 die Fahrerlaubnis.

Uneinigkeit über zu berücksichtigenden Punktestand

Seine Klage hatte das Verwaltungsgericht München abgewiesen. Die Fahrerlaubnisentziehung sei nicht deshalb rechtswidrig, weil die Eintragungen zu mit insgesamt vier Punkten zu bewertenden Ordnungswidrigkeiten zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses bereits zu löschen gewesen seien. Nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG sei für den Punktestand auf den maßgeblichen Tattag abzustellen; das sei hier der 19.07.2015. Zu diesem Zeitpunkt seien diese Eintragungen noch nicht zu tilgen gewesen. Auf die Berufung des Klägers hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der Fahrerlaubnisentziehung geändert und den Bescheid insoweit aufgehoben (BeckRS 2019, 43002). Die Beklagte habe beim Erlass des Bescheides Ordnungswidrigkeiten berücksichtigt, die dem Kläger gemäß § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG zu diesem Zeitpunkt wegen ihrer Löschung nicht mehr zur Beurteilung seiner Fahreignung hätten vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen.

BVerwG: Verwertungsverbot begrenzt zu berücksichtigende Punkte

Das BVerwG hat jetzt das Berufungsurteil bestätigt. Das Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG greife auch bei Eintragungen zu punktebewehrten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr, die im Fahreignungsregister zwar nicht bis zu dem nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG maßgeblichen Tattag, aber vor dem Ergreifen der nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem vorgesehenen Maßnahme zu löschen sind. Nach § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG habe die Löschung einer Eintragung, die gemäß § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG nach Ablauf der Überliegefrist von einem Jahr nach Eintritt der Tilgungsreife erfolgt, ein absolutes Verwertungsverbot zur Folge. Dieses Verwertungsverbot überlagere und begrenze das für die Berechnung des Punktestandes nach § 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG maßgebliche Tattagprinzip. Die entsprechenden Punkte müssten daher unberücksichtigt bleiben.

BVerwG, Urteil vom 18.06.2020 - 3 C 14.19

Redaktion beck-aktuell, 22. Juni 2020.