Mögliche Zwangspensionierungen durch Absenkung des Pensionsalters
Wie die Kommission erläutert, wurde das Pensionsalter für Richter am polnischen Obersten Gericht mit dem neuen Gesetz von 70 auf 65 Jahre gesenkt. Deshalb könnten am 03.07.2018 auf einen Schlag 27 der 72 Richter des Obersten Gerichts - also mehr als einer von drei Richtern - zwangsweise in den Ruhestand versetzt werden. Diese Maßnahme gelte auch für den Ersten Präsidenten des Obersten Gerichts, dessen sechsjährige Amtszeit vorzeitig beendet würde.
Mögliche Verlängerung nach freiem Ermessen des Präsidenten und ohne gerichtliche Überprüfung
Nach dem Gesetz könnten die derzeitigen Richter ihre Absicht bekunden, ihre Amtszeit vom Präsidenten der Republik um drei Jahre verlängern zu lassen, wonach ihre Amtszeit noch ein einziges Mal weiter verlängert werden könne. Allerdings seien keine Kriterien festgelegt, die der Präsident bei seiner Entscheidung zugrunde zu legen habe. Ferner bestehe keine Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung dieser Entscheidung.
Kommission rügt Verstoß gegen richterliche Unabhängigkeit
Nach Auffassung der Kommission verstoßen diese Maßnahmen gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und auch den Grundsatz der Unabsetzbarkeit von Richtern. Polen komme somit seinen Verpflichtungen nach Art. 19 Abs. 1 des Vertrags über die Europäische Union in Verbindung mit Art. 47 der EU-Grundrechtecharta nicht nach.
Einführung einer Konsultation des Landesrats für Gerichtswesen keine wirksame Garantie
Laut Kommission wurde das Gesetz über das Oberste Gericht zwar bereits im Zuge des Rechtsstaatlichkeitsdialogs zwischen der Kommission und den polnischen Behörden erörtert. Dabei sei allerdings keine zufriedenstellende Lösung gefunden worden. Die Einführung einer Konsultation des Landesrats für Gerichtswesen stelle keine wirksame Garantie dar. Die Stellungnahme des Landesrats für Gerichtswesen sei nicht bindend und beruhe auf unklaren Kriterien. Darüber hinaus setze sich der Landesrat für Gerichtswesen nach der Reform vom 08.12.2017 nunmehr aus vom polnischen Parlament ernannten richterlichen Mitgliedern zusammen. Dies widerspreche den europäischen Standards für die Unabhängigkeit der Justiz. Die polnische Regierung habe nun einen Monat Zeit, auf das Aufforderungsschreiben der Kommission zu antworten.