BFH hält Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste für verfassungswidrig
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Wer Aktien mit Verlust verkauft, kann diesen Verlust nur sehr eingeschränkt verrechnen, und zwar mit Gewinnen aus anderen Aktienverkäufen. Der Bundesfinanzhof hält diese Verlustverrechnungsbeschränkung für verfassungswidrig und hat das Bundesverfassungsgericht angerufen. Steuerpflichtige würden ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob sie Verluste aus der Veräußerung von Aktien oder aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen erzielt haben, so der BFH.

Grundlegende Neugestaltung durch Novelle 2008

Das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 hat die Besteuerung von Kapitalanlagen, die dem steuerlichen Privatvermögen zuzurechnen sind, grundlegend neu gestaltet. Durch die Zuordnung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanlagen (unter anderem Aktien) zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG) unterliegen die dabei realisierten Wertveränderungen (Gewinne und Verluste) in vollem Umfang und unabhängig von einer Haltefrist der Besteuerung.

Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste 

Da Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich abgeltend mit einem speziellen Steuersatz von 25% besteuert werden, sieht § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG vor, dass Verluste aus Kapitalvermögen nur mit sonstigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden dürfen. Eine zusätzliche Verlustverrechnungsbeschränkung gilt für Verluste aus der Veräußerung von Aktien (§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG a. F.). Diese dürfen nicht mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern nur mit Gewinnen, die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, ausgeglichen werden. Nach der Gesetzesbegründung sollen dadurch Risiken für den Staatshaushalt verhindert werden.

Kläger wollte Verluste aus Aktienverkäufen mit anderen Kapitaleinkünften verrechnen

Im Streitfall hatte der Kläger aus der Veräußerung von Aktien ausschließlich Verluste erzielt. Er beantragte, diese Verluste mit seinen sonstigen Einkünften aus Kapitalvermögen, die nicht aus Aktienveräußerungsgewinnen bestanden, zu verrechnen.

BFH sieht verfassungswidrige Ungleichbehandlung 

Nach Auffassung des BFH bewirkt § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG a. F. eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Denn sie behandele Steuerpflichtige ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich, je nachdem, ob sie Verluste aus der Veräußerung von Aktien oder aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen erzielt haben. Eine Rechtfertigung für diese nicht folgerichtige Ausgestaltung der Verlustausgleichsregelung für Aktienveräußerungsverluste ergebe sich weder aus der Gefahr der Entstehung erheblicher Steuermindereinnahmen noch aus dem Gesichtspunkt der Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen oder aus anderen außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszielen.

BFH, Beschluss vom 17.11.2020 - VIII R 11/18

Redaktion beck-aktuell, 4. Juni 2021.