Verlorene Berufungsbegründung – Wiedereinsetzung erfolgreich

Der Bundesgerichtshof hat einem Wiedereinsetzungsantrag wegen verlorener Post stattgegeben. Das Oberlandesgericht hatte noch angenommen, der Rechtsanwalt habe nicht darlegen können, dass der Verlust nicht seine Schuld sei. Die vom OLG gestellten Anforderungen hielt der BGH aber für überzogen. Vor allem habe der Anwalt nicht zu den Leerungszeiten des Briefkastens vortragen müssen.

Berufungsbegründung rechtzeitig in Briefkasten eingeworfen

Der Anwalt hatte erklärt, dass er die Berufungsbegründung anderthalb Wochen vor Ablauf der Frist "persönlich ausgefertigt, unterzeichnet, in einen Briefumschlag verpackt und ausreichend frankiert in einen Briefkasten der Deutsche Post AG eingelegt" habe. Das OLG wollte es genauer wissen: Der Prozessbevollmächtigte habe nicht dargelegt, welche Adresse auf dem Umschlag angegeben war oder wie er frankiert gewesen sei. Auch die genaue Lage des Briefkastens oder seine Leerungszeiten seien nicht mitgeteilt worden. Ohne Gelegenheit zur Aufklärung zu geben, lehnte es den Antrag ab.

Unzumutbare Erschwernis des Rechtsschutzes

Dem BGH gingen diese Anforderungen zu weit. Der Anwalt habe ausreichend dargelegt, dass der Verlust mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen sei. Nach seinem Vortrag habe er davon ausgehen können, dass die Begründung beim Berufungsgericht rechtzeitig ankommen würde. Die Forderung, der Vortrag müsse unter anderem auch die Leerungszeiten des Briefkastens enthalten, sei unzumutbar und erschwere den Zugang zum Gericht "in nicht mehr zu rechtfertigender Weise", so der VIII. Zivilsenat des BGH. Darüber hinaus hätte das OLG Gelegenheit geben müssen, etwaige unklare Angaben zu ergänzen und Widersprüche auszuräumen, bevor es eine Entscheidung trifft.

BGH, Beschluss vom 28.04.2020 - VIII ZB 12/19

Redaktion beck-aktuell, 27. Mai 2020.