Verkehrsjuristen warnen vor Abzocke nach Verkehrsverstößen im Ausland

Immer mehr Autofahrer in Deutschland werden nach Verkehrsverstößen im Ausland von dubiosen Inkassofirmen abgezockt. Das beklagen Autoclubs und Verkehrsanwälte. "Die Betroffenen werden aufgefordert, zum Teil hohe dreistellige Beträge zu bezahlen, weil sie irgendwann einmal fünf Euro Maut nicht bezahlt oder falsch geparkt haben", sagte der ADAC-Jurist Markus Schäpe am 24.01.2018 am Rande des Verkehrsgerichtstages (VGT) in Goslar.

Hohe Forderungen aus dem Ausland mittlerweile Massenphänomen

Die Forderungen kämen zumeist aus Kroatien, Italien, Ungarn oder Großbritannien, hatte Schäpe zuvor dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mitgeteilt. Das Ganze habe sich in den vergangenen drei, vier Jahren zu einem Massenphänomen entwickelt. Mittlerweile seien jährlich Zehntausende, wenn nicht sogar Hunderttausende deutsche Autofahrer betroffen. "Und was da zum Teil verlangt wird, ist mehr als befremdlich", sagte Schäpe.

VGT-Präsident spricht von "besorgniserregender Situation"

Der Präsident des Verkehrsgerichtstags Kay Nehm sprach während der Eröffnungspressekonferenz am 24.01.2018 in Goslar von einer "besorgniserregenden Situation". Er nannte als Beispiel einen ursprünglich nur 20 Euro teuren Verkehrsverstoß in Kroatien, für den später einschließlich Gebühren 300 Euro bezahlt werden sollten.

Überhöhte Inkassogebühren und intransparente Rechtsbehelfsmöglichkeiten

Den Grund für die Entwicklung sieht der Deutsche Anwaltverein (DAV) darin, dass ausländische Kommunen ihre rechtskräftigen Bußgeldbescheide in Deutschland nach derzeitigem EU-Recht nur vollstrecken können, wenn die Geldbuße 70 Euro überschreitet. Kleinere Verstöße wie Falschparken blieben daher oft folgenlos. "Dies wollen die Urlaubsorte nicht weiter hinnehmen, und sie versuchen, Knöllchen und Mautzahlungen auf dem zivilrechtlichen Inkassoweg durchzusetzen", sagte Rechtsanwältin Verena Bouwmann von der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. Die Inkassogebühren seien aber oft überhöht und die Rechtsbehelfsmöglichkeiten wenig transparent.

Inkassounternehmen arbeiten oft "mit Amtsanmaßung"

Zudem seien die Forderungen vielfach kaum nachzuvollziehen, meinte auch ADAC-Jurist Schäpe. Denn die Verstöße lägen oftmals schon Jahre zurück. "Und keiner hebt zum Beispiel Mautbelege solange auf." Hinzu komme, dass viele Inkassobüros "mit Amtsanmaßung" agierten. Er nannte als Beispiel ein privates Büro, dass fälschlich den Briefkopf einer italienischen Stadt verwendet habe, um dem Schreiben einen amtlichen Anstrich zu geben. "So etwas kann man nicht hinnehmen", sagte Nehm.

ADAC-Experte rät von Zahlung überhöhter Inkassogebühren ab

Gehe man von einem Bußgeld im klassischen Sinn aus, sei ein Inkassounternehmen im übrigen gar nicht zuständig, meint der Autoclub ACE. Die Forderungen könnten schon aus diesem Grund angezweifelt und bestritten werden. "Man sollte überzogene Gebührenforderungen auf keinen Fall begleichen", riet auch Schäpe. Das Geld lande nämlich zum überwiegenden Teil nicht in den ausländischen Kommunen, die möglicherweise einen berechtigten Anspruch hätten, sondern bei den Inkassobüros. "Die Grundforderung dagegen sollte man begleichen", sagte ADAC-Experte Schäpe. "Jedenfalls wenn sie berechtigt ist."

Redaktion beck-aktuell, 25. Januar 2018 (dpa).

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