Verkehrsgerichtstag: Alkoholfahrten, Unfallflucht und Punktehandel
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Wer betrunken mit dem Auto fährt und einen schweren Unfall verursacht, soll sein Fahrzeug künftig verlieren können. Das ist eine der Gesetzesempfehlungen, die der Verkehrsgerichtstag präsentiert hat. Weitere Themen waren Unfallflucht und der Handel mit Punkten in Flensburg.

Nach einer strafbaren Rauschfahrt unter Drogen- oder Alkoholeinfluss soll das Fahrzeug sowohl bei Vorsatz als auch bei Fahrlässigkeit eingezogen werden können. Bei Alkohol am Steuer kann eine Straftat bereits ab 0,3 Promille vorliegen, etwa wenn es zu einem Unfall kommt oder der Fahrer Ausfallerscheinungen hat. Die Regelung soll für alle Fahrzeuge, also auch Fahrräder oder Roller gelten, und sogar für Fahrzeuge, die nicht dem Täter gehören. Voraussetzung soll sein, dass der Fahrer bereits in den vergangenen fünf Jahren wegen einer ähnlichen Tat verurteilt wurde.

Verbände wie der Auto-Club Europa, der Automobil-Club Verkehr oder der Deutsche Verkehrssicherheitsrat begrüßten die Entscheidungen.

Schärfere Strafen für Punktehandel gefordert

In den letzten Jahren hat sich ein Geschäftsmodell etabliert, das es Autofahrern ermöglicht, fällige Punkte in Flensburg gegen Bezahlung an Dritte abzugeben. Dazu bezeichnet sich ein Unbeteiligter selbst als angeblicher Fahrer, übernimmt die Geldbuße und eventuell fällige Punkte, der eigentliche Fahrer bleibt unbestraft. Nach der derzeitigen obergerichtlichen Rechtsprechung können die Dritten weder mit Strafe noch mit Geldbuße geahndet werden. Eine Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 2 StGB ist nicht möglich, weil kein "anderer" bezichtigt wird. Auch eine Strafbarkeit nach § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB kommt nicht in Betracht, da es sich bei einer Ordnungswidrigkeit nicht um eine "rechtswidrige Tat" im Sinn dieser Vorschrift handelt.

Teilweise bieten Unternehmen aus dem EU-Ausland das auch gegen Bezahlung online an. Der Verkehrsgerichtstag fordert daher bessere Strafen, gegen die eigentlichen Fahrer sowie die Unternehmen, die den sogenannten Punktehandel anbieten. Unter anderem solle es möglich sein, Menschen, die derartige Angebote nutzen, Fahrverbote zu erteilen. Internetangebote für den Punktehandel sollen zudem verboten werden.

Unabhängig davon sollen Vergehen im Straßenverkehr weiter verfolgt werden. Dafür müssten unter anderem Bußgeldbehörden mehr Personal bekommen, forderte der Verkehrsgerichtstag. Zudem solle die Verjährungsfrist für Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr von drei auf sechs Monate verlängert werden.

Unfallflucht und Unfallschäden

In der Debatte um eine Reform der Unfallflucht sprach sich der Verkehrsgerichtstag gegen eine Herabstufung der Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit aus. Die Meldung eines Unfalls solle aber besser geregelt werden, etwa durch die Einrichtung einer neutralen, digitalen Meldestelle. Auch solle es möglich sein, einen Unfall bis zu 24 Stunden nach dem Geschehen straffrei melden zu können. Zudem solle eine Mindestwartezeit festgelegt werden, die der Unfallverursacher im Idealfall einhalten soll. Die Wartezeit solle nicht allzu lang sein, sagte der Strafrechtsprofessor Jan Zops, der den Arbeitskreis leitete. Darüber hinaus wurde empfohlen, dass Fahrerflucht künftig nicht mehr automatisch mit dem Entzug der Fahrerlaubnis bestraft werden solle - solange nur Sachschäden entstanden sind.

Ein weiteres Thema war der Umgang mit Vorschäden bei der Schadensregulierung. Nach einem Unfall müsse bei einem Schadensgutachten, dass das Unfallopfer einholt, das Auto bereits auf Vorschäden untersucht werden. Wenn der Versicherer, der den Schaden bezahlen soll, aus seinen Akten Informationen über einen Vorschaden hat, solle er dies dem Unfallopfer vor einer Gerichtsverhandlung mitteilen. Teilweise wüssten die Autobesitzer selbst nichts von Vorschäden, etwa wenn sie beim Kauf eines Gerbauchtwagens nicht darüber informiert wurden, erklärte Bundesrichterin Vera von Pentz, die den entsprechenden Arbeitskreis leitete.

Rückmeldefahrten und Haftung bei Reisen

Nach Ansicht des Gesamtverbands der Versicherer (GDV) sollte es für ältere Autofahrer verpflichtende Rückmeldefahrten geben. Damit gemeint sind 30 bis 60 Minuten lange Fahrten im realen Straßenverkehr mit einem speziell geschulten Fahrlehrer oder Verkehrspsychologen, sagte die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach bei einem Streitgespräch. Sie könne sich diese Pflicht beispielsweise ab 75 Jahren vorstellen. Nach Idee des GDV sollten die Ergebnisse der Rückmeldefahrt geheim bleiben und keine Auswirkung auf die Fahrerlaubnis haben. Eine Studie aus Japan belegt, dass obligatorische Fahreignungstests bei Seniorinnen und Senioren zu weniger Autounfällen führen.

Wer mit mehreren Verkehrsmitteln wie etwa der Bahn und dem Flugzeug unterwegs ist, soll nach Ansicht des Verkehrsgerichtstages besser über seine Rechte informiert werden. Das solle Reisenden vor ihrer Buchung besonders einfach klar gemacht werden, etwa mit Piktogrammen. Konkret wurde bei dem Thema um die Haftung bei Verspätungen und verpassten Anschlüssen diskutiert. Hierbei wurde empfohlen, Passagierrechte zu vereinheitlichen und klarer zu regeln, wer im Zweifel haftet. Entschädigungszahlungen sollten sich nach Ansicht des Verkehrsgerichtstages am Ticketpreis orientieren. Sie sollten auch gezahlt werden, wenn der Zielort mit großer Verspätung erreicht wurde - nicht nur bei abgebrochenen Reisen.

In diesem Jahr sprachen auf dem 62. Verkehrsgerichtstag mehr als 1.700 Fachleute in acht Arbeitskreisen über Themen des Verkehrsrechtes und der Verkehrssicherheit. Die Fachtagung ging am Freitag zu Ende. Der jährliche Kongress zählt zu den wichtigsten Treffen von Verkehrssicherheitsexperten in Deutschland. Die Empfehlungen werden immer wieder bei der Gesetzgebung berücksichtigt.

Redaktion beck-aktuell, bw, 29. Januar 2024 (dpa).