Vergleich: Schamanin muss 7.500 Euro zurückzahlen

Was darf Übersinnliches kosten? Das Oberlandesgericht München hat sich am 10.12.2019 mit einer Rechnung über 25.000 Euro für ein Schamanen-Ritual befasst. Während das Landgericht Traunstein die Klage auf Rückzahlung der gesamten Anzahlung von 12.000 Euro in erster Instanz abwies, betrachtete das Oberlandesgericht München den Vertrag als sittenwidrig. Es empfahl der Schamanin "dringend", einem Vergleich zuzustimmen und 7.500 Euro aus der Anzahlung zurückzugeben, was letztlich auch angenommen wurde. 

Verweis auf BGH

Das OLG bezog sich bei seiner Einschätzung der Rechtslage vor allem auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2011, wonach die Hürden für eine Sittenwidrigkeit bei Verträgen um esoterische Leistungen wie das Kartenlegen nicht zu hoch gelegt werden dürfen (BeckRS 2011, 2260). Dies hatte die Vorinstanz nach Ansicht des OLG jedoch getan.

Starke Schmerzen führten Geschädigte zur Schamanin

Warum sie den Vertrag unterschrieben hat, wisse sie heute auch nicht mehr, führte die Geschädigte aus. "Aber ich hatte das Gefühl, dass ich das machen muss, weil mir sonst keiner helfen kann." Im Jahr 2018 habe sie sich an die Schamanin gewandt. Eine Bekannte habe ihr von der Frau erzählt. Nach vier Autounfällen habe sie jahrelang unter starken Schmerzen gelitten. "Du hast 30 Jahre Schmerzen und 30 Jahre jemanden gesucht, der dir sagt, was du hast", beschreibt sie ihre Situation. Die Schamanin habe dann davon gesprochen, dass sie "eine Besetzung" habe.

Rücktritt vom Vertrag per Whatsapp

Ein Schamanen-Ritual könne helfen, so die Schamanin. 25.000 Euro verlangte sie dafür. "Da bin ich erstmal in Tränen ausgebrochen", sagte die 54-jährige Geschädigte – und legte die Anzahlung von 12.500 Euro dann doch bar auf den Tisch. Als sie dann noch einmal mit ihrer Bekannten gesprochen habe, habe sie aber Zweifel bekommen. Kurz bevor es losgehen sollte, sagte sie das Ritual per Whatsapp ab und forderte die 12.500 Euro zurück. Doch die Schamanin wollte das Geld behalten. Sie gab an, selbst Ausgaben für das geplante Ritual gehabt zu haben und bestreitet, von "Besetzungen" gesprochen zu haben. Die Frau sei den Vertrag aus freien Stücke eingegangen. Die 54-Jährige klagte auf Rückzahlung. Damit hatte sie in erster Instanz keinen Erfolg. Doch das OLG München sah die Sache anders – es riet der Schamanin zu einem Vergleich. Alternative wäre, dass sie die 12.500 Euro insgesamt zurückzahlen müsse.

Beklagtenanwältin: Wirksamkeit von Schamanismus-Ritualen wissenschaftlich belegt

Empört über diese Einschätzung des Gerichts zeigte sich die Anwältin der Schamanin. Der Schamanismus sei "eine internationale, kulturelle Tradition, die älter ist als Europa", sagte sie. Es gebe eine Dokumentation über ihre Mandantin, sagte sie vor der Verhandlung und legte dem OLG eine Schweizer Studie zur wissenschaftlichen Belegbarkeit der Wirksamkeit von Schamanismus-Ritualen vor. "Das ist kein Hokuspokus."

Klägeranwalt spricht von Geschäftsmodell

Ihre Mandantin ist am Schluss der Verhandlung trotzdem 7.500 Euro wieder los – zur Freude der Gegenseite. "Ich hoffe, dass nun auch andere Geschädigte den Mut finden, sich zu wehren", sagt Klägeranwalt Andreas Kuzmany, der noch andere, ähnlich gelagerte Fälle mit anderen Beklagten betreut. "Das ist ein Geschäftsmodell, eine Industrie."

Von Schamanin anvisierte Behandlung bleibt unklar

Was genau die Klägerin für 25.000 Euro überhaupt bekommen hätte, blieb auch am Ende des Verhandlungstages unklar. Sie selbst habe immer wieder nachgefragt, was auf sie zukomme, aber keine Antwort bekommen. Für einen Tag sei das Ritual angesetzt gewesen, sagt die 54-Jährige. Als Ort sei eine leerstehende Fabrikhalle irgendwo am Chiemsee angegeben gewesen. Ein Nachthemd habe sie mitbringen sollen. Auch die Schamanin will nach dem Verhandlungstermin nicht sagen, welche Pläne sie mit ihrer Kundin gehabt hätte. Sie beruft sich auf eine Schweigepflicht und sagt: "Die Rituale sind immer individualisiert". Der Kollege der Schamanin verteilt nach der Verhandlung Visitenkarten: "Kommen Sie doch in unserer Praxis vorbei und schauen Sie sich das objektiv an."

Redaktion beck-aktuell, Britta Schultejans, 11. Dezember 2019 (dpa).