VerfGH Rheinland-Pfalz: "Amtlichem Verteidigervertreter" darf Besuch von U-Häftling verweigert werden

Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hat mit Beschluss vom 19.11.2019 die Verfassungsbeschwerde eines Strafverteidigers wegen der Versagung eines Besuchs seines "amtlichen Vertreters" (§ 53 Abs. 2 BRAO) bei einem Untersuchungsgefangenen, für den Besuche unter Erlaubnisvorbehalt gestellt worden waren, zurückgewiesen. Der Verteidiger sei nicht in seiner Berufsfreiheit verletzt. Die Vorlage der Bestellungsurkunde der Rechtsanwaltskammer gegenüber der Justizvollzugsanstalt (JVA) genüge nicht, um die Verteidigerstellung zuverlässig zu kontrollieren (Az.: VGH B 10/19).

JVA verweigerte Verteidigervertreter Besuch bei Untersuchungsgefangenem

Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt. Er war Strafverteidiger eines Beschuldigten in U-Haft. Seine Verteidigerstellung war der JVA vom Gericht mitgeteilt worden. Der Verteidiger ließ von der Rechtsanwaltskammer einen Kollegen zu seinem allgemeinen Vertreter bestellen. Als der Vertreter unter Vorlage des Bestellungsschreibens den Beschuldigten in der U-Haft zu einem Gespräch besuchen wollte, wurde er von der JVA unter Hinweis auf ein Rundschreiben des Justizministeriums zurückgewiesen. Danach würden der JVA durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft die Verteidiger mitgeteilt und von der JVA als solche eingetragen. Den so eingetragenen Verteidigern werde von der JVA der Besuch gestattet. Dass sich der Vertreter in der JVA mit dem Bestellungsschreiben als Vertreter des (mitgeteilten und eingetragenen) Verteidigers ausweisen könne, reiche nicht aus.

Fachgerichte: Nachweis der Bestellung zum Vertreter des eingetragenen Verteidigers nicht ausreichend

Dagegen begehrte der Strafverteidiger die gerichtliche Feststellung, dass die Verweigerung des Besuchs seines Vertreters rechtswidrig gewesen sei. Mit diesem Antrag hatte er sowohl beim Landgericht als auch beim Oberlandesgericht keinen Erfolg. Zwar gewährleiste die Strafprozessordnung dem Verteidiger eine ungehinderte Kommunikation mit dem Beschuldigten in Untersuchungshaft. Die Prüfung des Verteidigungsverhältnisses obliege nach den strafprozessualen Vorgaben – § 119 Abs. 4 S. 3 StPO –, die das ministerielle Rundschreiben wiedergebe, dem Gericht beziehungsweise der Staatsanwaltschaft und nicht der JVA. Gleiches gelte für die Prüfung des Vorliegens eines Vertretungsverhältnisses. Allein der Nachweis der Bestellung zum Vertreter des eingetragenen Verteidigers gegenüber der JVA genüge nicht.

Verteidiger rügte Verletzung seiner Berufsfreiheit

Mit seiner Verfassungsbeschwerde machte der Verteidiger eine Verletzung seiner Berufsfreiheit geltend. Er sei auf ein besonderes Vertrauensverhältnis zu seinem Mandanten angewiesen, das vorliegend bereits gefährdet gewesen sei, nachdem sein Vertreter den Mandanten bei akutem Gesprächsbedarf nicht habe aufsuchen können. Der bestellte Vertreter eines Verteidigers trete bei Verhinderung an seine Stelle und müsse allenfalls der JVA seine Bestellung nachweisen, nicht aber vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft bestätigt werden.

VerfGH: OLG-Entscheidung nicht zu beanstanden

Der VerfGH hat die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen. Die vom Beschwerdeführer angegriffene Entscheidung des OLG über die Anforderungen an den Nachweis der Verteidigerstellung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere lasse die Würdigung des Fachgerichts keine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit des Rechtsanwalts erkennen.

Nachweis der Vertreterbestellung ohne größeren Aufwand möglich

Die Berufsfreiheit gewährleiste dem Rechtsanwalt eine von staatlicher Kontrolle freie Berufsausübung und schütze dazu insbesondere das Vertrauensverhältnis zum Mandanten. Das von der Strafprozessordnung als Grundlage effektiver Verteidigung geschützte Recht auf unüberwachte Kommunikation zwischen Beschuldigtem und Verteidiger setze ein wirksames Verteidigungsverhältnis voraus. Die vom Gericht beziehungsweise von der Staatsanwaltschaft und von der JVA – unter Verweis auf das ministerielle Rundschreiben – geübte Praxis für die Prüfung des Vorliegens eines solchen beinhalte eine formale Anforderung, die nur eine geringe Beeinträchtigung der Berufsfreiheit des Strafverteidigers darstelle. Der Verteidiger könne ohne größeren Aufwand seine Verteidigerstellung/Bestellung eines Vertreters dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft mitteilen und damit die Eintragung bei der JVA erreichen.

Vorlage der Bestellungsurkunde gewährleistet keine zuverlässige Kontrolle

Auch der Beschwerdeführer stelle nicht in Frage, dass der Strafverteidiger die Verteidigerstellung nachweisen müsse, so der VerfGH weiter. Es gehe allein darum, gegenüber wem und auf welchem Wege dies zu geschehen habe. Demgegenüber diene es dem staatlichen Interesse an der wirksamen Strafverfolgung, wenn zur Sicherung der Zwecke der Untersuchungshaft die Einhaltung der insoweit geltenden Maßgaben überwacht werde. Eine hinreichende Kontrolle durch einen JVA-Bediensteten allein anhand der vor Ort vorgelegten Bestellungsurkunde sei "am Gefängnistor" und ohne genaue Kenntnis über Stand und Besonderheiten des Verfahrens nur unvollkommen zuverlässig möglich. Allein das Gericht oder die Staatsanwaltschaft kenne den dafür relevanten Sachstand.

VerfGH RhPf, Beschluss vom 19.11.2019 - B 10/19

Redaktion beck-aktuell, 28. November 2019.