Lebenserhaltende Maschinen abstellen: Vollmacht des Betreuers missbraucht?

Lebenserhaltende Maßnahmen beenden – der Betreuer einer 75-Jährigen war dafür, die Tochter der Betreuten dagegen. Der VerfGH NRW untersagte der Klinik nun einstweilen das Abstellen der Apparate. Zunächst bedürfe es einer ordnungsgemäßen betreuungsgerichtlichen Kontrolle der Betreuerentscheidung. Dies gebiete der Schutz der Patientin vor einem etwaigen Missbrauch der Betreuerbefugnisse. 

Ein vorläufiger Betreuer hatte angekündigt, dass er zustimmen werde, die Maschinen bei einer von ihm betreuten Patientin abstellen zu lassen. Die Tochter der Betreuten wollte allerdings, dass ihre Mutter weiterbehandelt wird. Obwohl sich die Patientin selbst per Patientenverfügung gegen lebensverlängernde Maßnahmen entschieden hatte, setzte die Tochter alles daran, dass die Maschinen nicht abgeschaltet werden. Sie sprach beim Betreuungsgericht vor. Dieses möge die Entscheidung des Betreuers überprüfen. Das Gericht aber lehnte ein Einschreiten gegen die angekündigte Zustimmung des Betreuers in einem Schreiben ab.

Der VerfGH NRW bewilligte die von der Tochter begehrte einstweilige Anordnung und mahnte zugleich, dass die Zustimmung des Betreuers überprüft werden müsse (Beschluss vom 12.04.2024 – VerfGH 44/24.VB-2). 

Kontrolle durch Betreuungsgericht erforderlich

Zwar könne nach dem Gesetz eine Genehmigung des Betreuungsgerichts unterbleiben, wenn sich Betreuer und behandelnder Arzt darüber einig sind, dass die Entscheidung des Betreuers über den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen dem festgestellten Willen des Betreuten entspricht (§ 1829 Abs. 4 BGB).

Allerdings sei der Patient vor einem Missbrauch der Betreuerbefugnisse zu schützen. Dies geschehe zum einen durch eine wechselseitige Kontrolle zwischen Arzt und Betreuer bei der Entscheidungsfindung hinsichtlich des Patientenwillens. Zum anderen könnten unter anderem Verwandte des Betreuten im Betreuungsverfahren jederzeit eine betreuungsgerichtliche Kontrolle der Betreuerentscheidung in Gang setzen. Der verfassungsrechtliche Justizgewähranspruch verlange "eine förmliche, rechtsmittelfähige Entscheidung". Diese könne auch ein Negativattest zum Gegenstand haben kann, wenn sich eine Genehmigungspflicht gemäß § 1829 Abs. 4 BGB nicht ergibt. Diesen Anforderungen werde das Schreiben des Betreuungsgerichts nicht gerecht.

Der Erlass der einstweiligen Anordnung war laut VerfGH – "zur Verhinderung eines schweren Nachteils für das gemeine Wohl" – auch geboten. Dabei hat er auch die schwere gesundheitliche Situation der Mutter und ihren in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Willen berücksichtigt, dass eben keine lebenserhaltenden Maßnahmen bei ihr angewendet sollen, wenn alle diagnostischen Möglichkeiten aller Fachrichtungen vollständig ausgeschöpft sind. Dass diese Situation unzweifelhaft eingetreten ist und deshalb die Belange der Tochter zurücktreten müssen, lässt sich dem Senat zufolge aber "nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellen".

VerfGH NRW, Beschluss vom 12.04.2024 - VerfGH 44/24

Redaktion beck-aktuell, ns, bw, 18. April 2024.