Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen sind trotz Corona nicht zu verschieben

In Nordrhein-Westfalen werden die Kommunalwahlen wie geplant am 13.09.2020 stattfinden. Das hat der Verfassungsgerichtshof des Landes entschieden und einer Verfassungsbeschwerde und einem Eilantrag, die auf eine Verschiebung des Termins nach hinten gerichtet waren, den Erfolg versagt. Trotz der coronabedingten Erschwernisse bei der Vorbereitung der Wahl sei der Grundsatz der Chancengleichheit nicht verletzt, heißt es in den Beschlüssen vom 30.06.2020.

Wahltermin wurde im September 2019 festgelegt

Die aktuelle Kommunalwahlperiode endet am 31.10.2020. Die allgemeinen Kommunalwahlen finden nach § 14 Abs. 2 Satz 3 des nordrhein-westfälischen Kommunalwahlgesetzes im vorletzten oder letzten Monat der laufenden Wahlperiode statt. Den genauen Wahltag bestimmt das Innenministerium (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Kommunalwahlgesetz). Der Termin für die Kommunalwahlen 2020 wurde unter Beachtung dieser Vorgaben im September 2019 auf den 13.09.2020 festgesetzt.

Wahlvorschläge spätestens am 59. Tag vor der Wahl einzureichen

Nach § 15 Abs. 2 Satz 3 des Kommunalwahlgesetzes müssen Wahlvorschläge von Parteien und Wählergruppen, die nicht ununterbrochen in der zu wählenden Vertretung, der Vertretung des zuständigen Kreises, im Landtag oder aufgrund eines Wahlvorschlags aus dem Land im Bundestag vertreten sind, je nach Größenordnung des Wahlbezirks von bis zu 20 Wahlberechtigten aus dem jeweiligen Wahlbezirk persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein. Die Wahlvorschläge müssen spätestens am 59. Tag vor der Wahl (hier ursprünglich am 16.07.2020), 18.00 Uhr, beim Wahlleiter eingereicht werden (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Kommunalwahlgesetz).

Landesgesetzgeber verlängerte Frist

Mit Erlass vom 20.05.2020 teilte das nordrhein-westfälische Innenministerium mit, dass die Kommunalwahlen wie geplant am 13.09.2020 stattfinden sollen. Am 03.06.2020 trat das Gesetz zur Durchführung der Kommunalwahlen 2020 in Kraft, mit dem der Landesgesetzgeber auf mögliche Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die anstehenden Kommunalwahlen reagierte. Nach § 6 des Gesetzes zur Durchführung der Kommunalwahlen 2020 können Wahlvorschläge nicht nur bis zum 59. Tag, sondern bis zum 48. Tag vor der Wahl (hier: 27.07.2020), 18.00 Uhr, beim Wahlleiter eingereicht werden. Ferner wurde die Anzahl der notwendigen Unterstützungsunterschriften für Wahlbezirksvorschläge und Reservelisten auf 60% des sonst erforderlichen Quorums gesenkt (vgl. §§ 7 und 8 des Gesetzes zur Durchführung der Kommunalwahlen 2020).

Verletzung der Chancengleichheit wegen Corona-Erschwernissen geltend gemacht

Der Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren VerfGH 63/20.VB-2 beabsichtigte die Gründung einer örtlichen Wählervereinigung, die zwischenzeitlich erfolgt ist. Beim Antragsteller im Verfahren VerfGH 76/20 handelt es sich um den Landesverband der Familien-Partei Deutschlands, der in der Hauptsache – über die noch nicht entschieden ist – ein Organstreitverfahren anhängig gemacht hat und darüber hinaus den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrte. Der Beschwerdeführer und der Antragsteller trugen im Wesentlichen vor, Kontaktsperren sowie Versammlungs- und Reiseverbote machten es unmöglich, die Fristen für die Aufstellung der Kandidierenden, die Einreichung der Wahlunterlagen und das Sammeln von Unterstützungsunterschriften einzuhalten. Auch der Wahlkampf sei insbesondere für die kleinen Parteien und Wählervereinigungen stark eingeschränkt. Dies verletze den Grundsatz der Chancengleichheit.

Antragsteller fordern Verschiebung des Wahltermins

Die Absenkung des Unterschriftsquorums und die Verlängerung der Frist zur Einreichung der Wahlvorschläge seien nicht ausreichend, um die pandemiebedingten Nachteile auszugleichen. Der Beschwerdeführer machte mit seiner Verfassungsbeschwerde geltend, der Termin der Kommunalwahlen sei deshalb auf den 01.11.2020 oder das Frühjahr 2021 zu verschieben. Ferner müsse auf das Erfordernis zur Beibringung der Unterstützungsunterschriften unter den aktuellen Bedingungen verzichtet werden. Der Antragsteller im Organstreitverfahren begehrte mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, dem Ministerium des Innern die Verschiebung des Wahltermins aufzugeben.

VerfGH hält getroffene Maßnahmen für ausreichend

Der VerfGH hat die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen. Der Gesetzgeber habe auf die pandemiebedingten Erschwernisse bei der Sammlung der sogenannten Unterstützungsunterschriften durch die Absenkung der Quoren und die Verlängerung der Frist zur Einreichung der Wahlvorschläge in einer verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise reagiert. Auch die Verlängerung der Wahlperiode durch den Gesetzgeber – die bei einer Verschiebung der Wahlen über den 31.10.2020 hinaus notwendig sei – sei verfassungsrechtlich nicht zwingend erforderlich. Die Durchführung der Kommunalwahlen am Ende der laufenden Wahlperiode sei durch das im Demokratieprinzip wurzelnde Gebot der Periodizität von Wahlen gerechtfertigt. Mit der Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde habe sich der vom Beschwerdeführer ebenfalls gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt, so der VerfGH.

Vorgeschlagene Ersatztermine wegen Ferien nicht sinnvoll

Zur Begründung der Ablehnung des Antrags der Familien-Partei Deutschlands auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der VerfGH vor allem ausgeführt, dass sich der in der Hauptsache anhängige Organstreit bei summarischer Prüfung als voraussichtlich unbegründet erweise. Die Entscheidung für den konkreten Wahltermin am 13.09.2020 habe das Innenministerium im Wesentlichen darauf gestützt, dass bei einem Wahltermin ab dem 27.09.2020 entweder der Haupt- oder der Stichwahltermin in die Herbstferien falle. Ferienbedingte Abwesenheiten wirkten sich nachteilig sowohl auf die Wahlorganisation als auch auf die Wahlteilnahme aus. Eine Verschiebung über den 31.10.2020 hinaus sei dem Ministerium des Innern aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht möglich. Die mit diesen Erwägungen begründete Entscheidung für die Beibehaltung des Wahltermins verstoße weder gegen das Willkürverbot noch gegen den Grundsatz der Chancengleichheit. Darüber hinaus gehe auch die – von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige – Folgenabwägung zulasten des Antragstellers aus.

VerfGH NRW, Beschluss vom 30.06.2020 - VerfGH 76/20

Redaktion beck-aktuell, 6. Juli 2020.