Antrag gegen Corona-Schutzverordnung wegen fehlender Rechtswegerschöpfung unzulässig

Der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die "Corona-Schutzverordnung" abgelehnt und in diesem Zusammenhang unter anderem auf die Nichtausschöpfung des Rechtswegs hingewiesen. Der Antragsteller hätte zunächst eine Normenkontrolle durch das Oberverwaltungsgericht beantragen müssen, was er aber nicht getan habe.

Antrag überwiegend unzulässig

Der Antragsteller machte geltend, dass die Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in der derzeit geltenden Fassung seine Freiheitsgrundrechte verletze. Es fehle an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage. Im Übrigen seien die angeordneten Schutzmaßnahmen nicht (mehr) verhältnismäßig. Zur Begründung der Antragsablehnung hat der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen ausgeführt, dass die in der Hauptsache anhängige Verfassungsbeschwerde in weiten Teilen bereits unzulässig sei, weil der Rechtsweg nicht erschöpft sei. Zuvor hätte im Hinblick auf die Verordnung eine Normenkontrolle durch das Oberverwaltungsgericht beantragt werden müssen, was der Antragsteller nicht getan habe.

Antrag zu Masken und Kontaktbeschränkungen zulässig

Allerdings sei er nicht (mehr) auf den Rechtsweg zu verweisen, soweit er sich gegen die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung und die Kontaktbeschränkungen einschließlich dem Abstandsgebot wende, so die Verfassungsrichter weiter. Diese Maßnahmen habe das OVG wiederholt und auch in Bezug auf die Coronaschutz-Verordnung in der derzeit geltenden Fassung als voraussichtlich rechtmäßig angesehen. Zudem habe das OVG bereits entschieden, dass mit Blick auf das Gewicht der Maßnahmen und ihre Eigenschaft als zentrales Instrument zur Bekämpfung der Corona-Pandemie jedenfalls eine offene Folgenabwägung zu Lasten der Rechtsschutzsuchenden ausgehe. Vor diesem Hintergrund seien ein beim OVG zu stellender Normenkontrollantrag und ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Bezug auf die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung und die Kontaktbeschränkungen einschließlich dem Abstandsgebot voraussichtlich aussichtslos.

Folgenabwägung geht aber zum Nachteil des Antragstellers aus

Insoweit sei die in der Hauptsache anhängige Verfassungsbeschwerde auch weder offensichtlich unbegründet noch offensichtlich begründet, so der VerfGH. Die danach gebotene Folgenabwägung gehe aber zu Lasten des Beschwerdeführers aus. Die Folgen einer Fortgeltung der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung und der Kontaktbeschränkungen einschließlich dem Abstandsgebot seien nicht in einem solchen Maße untragbar, dass ausnahmsweise die entsprechenden Regelungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren außer Vollzug gesetzt werden müssten.

Gesundheits- und Lebensschutz gehen vor

Das Interesse an einem möglichst unreglementierten sozialen Miteinander und einem Schutz vor Beeinträchtigungen des persönlichen Wohlbefindens sei gewichtig, aber nicht derart schwerwiegend, dass es unzumutbar erschiene, diese Belange einstweilen zurückzustellen, um einen möglichst weitgehenden Gesundheits- und Lebensschutz zu gewährleisten. Gegenüber den Gefahren für Leib und Leben seien die Einschränkungen der persönlichen Freiheit weniger schwerwiegend, so die Verfassungsrichter. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die angegriffenen Regelungen von vornherein befristet und ohnedies vom Land fortdauernd zu überprüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren seien.

Verordnung mit Ausnahmen und Ermessensspielraum

Darüber hinaus sehe die Corona-Schutzverordnung Ausnahmen unter anderem mit Blick auf medizinische Belange des Einzelnen vor. Unabhängig davon sei zudem bei der Ahndung von Verstößen im Einzelfall im Rahmen des Ermessens individuellen Belangen von besonderem Gewicht Rechnung zu tragen.

VerfGH NRW, Beschluss vom 29.05.2020 - VerfGH 67/20

Redaktion beck-aktuell, 10. Juni 2020.