Neues NRW-Kommunalwahlrecht verfassungswidrig

Es sollte zu hohe Rundungsgewinne kleiner Parteien reduzieren, die Verzerrung der Sitzzuteilung vermeiden und so die Erfolgswertgleichheit der Stimmen erhöhen. Doch das neue Sitzzuteilungsverfahren, das der nordrhein-westfälische Landtag für Kommunalwahlen etablieren wollte, ist verfassungswidrig, entschied der VerfGH des Landes.

Die Sitzzuteilung nach Kommunalwahlen erfolgte in Nordrhein-Westfalen bisher nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung nach Sainte-Laguë/Schepers. Im Sommer 2024 beschloss der Landtag eine Änderung des Kommunalwahlgesetzes, wonach künftig das sogenannte Rock-Verfahren angewandt werden sollte. Im Rock-Verfahren werden die Stimmen erst exakt dem Stimmanteil zugeteilt. Die Restsitze bekommen dann die Parteien, die am nächsten an einem weiteren vollen Sitz sind.

Gegen die Änderung leiteten mehrere kleine Parteien, darunter Volt, das BSW und die Piratenpartei, Organstreitverfahren ein. Sie sahen ihre Rechte auf Chancen­gleichheit als politische Partei und auf Gleichheit der Wahl verletzt.

Landtag begründet Gesetzesänderung nicht hinreichend

Der VerfGH gab ihnen recht. Die Neuregelung sei verfassungswidrig (Urteile vom 20.05.2025 – VerfGH 101/24, VerfGH 114/24, VerfGH 7/25). Sie benachteilige kleinere Parteien systematisch: Aufrundungsgewinne würden allein den großen Parteien zugewiesen, während es zuvor mehr oder weniger vom Zufall abhing, ob einer Partei ″Rundungsglück″ oder ″Run­dungspech″ zuteil wurde. Das zuvor angewandte Divisorverfahren sei dagegen "allgemein ausgewogen" gewesen.

Das Rock-Verfahren verbessere die Erfolgswertgleichheit nicht, sondern führe im Gegenteil sogar zu einer zusätzlichen Verzerrung. Es ziele nicht darauf, eine im bisherigen Berechnungsverfah­ren angelegte, aber über das Normalmaß hinausgehende Ungleichgewichtigkeit zu beseitigen, so der VerfGH. Damit sei der Systemwechsel bei der Sitzzuteilung sachlich nicht gerechtfertigt.

Die Gestaltungsfreiheit streite nicht für den Landesgesetzgeber. Denn diese sei durch eine Rechtfertigungslast eingeschränkt – der er nicht nachgekommen sei. Ein ″zwingen­der″ Grund für die (zusätzliche) Erfolgswertungleichheit des modifizierten Sitzzuteilungsverfahrens liege nicht vor.

Die Entscheidung erging nicht einstimmig. Drei Richter, darunter der Vizepräsident des VerfGH, haben ein Sondervotum abgegeben. Sie halten das Rock-Verfahren in der Gesamtbetrachtung für ein verfassungsrechtlich unbedenkliches Berechnungssystem.

VerfGH NRW, Urteil vom 20.05.2025 - VerfGH 101/24, VerfGH 114/24, VerfGH 7/25

Redaktion beck-aktuell, js, 20. Mai 2025.

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