Zuverlässigkeitsüberprüfung von Mitarbeitern im Landtag zulässig

Die AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag muss die in der Hausordnung des Landtages vorgesehene polizeiliche Zuverlässigkeitsüberprüfung von Mitarbeitern der Fraktionen und Abgeordneten hinnehmen. Die Regelungen der Hausordnung schränkten zwar die Zutrittsrechte für nicht (erfolgreich) überprüfte Mitarbeiter ein, seien aber aufgrund ihres Zwecks, die Sicherheit des Landestages zu gewährleisten, gerechtfertigt, so der Verfassungsgerichtshof des Landes.

Zugang zum Landtag nur nach LKA-Zuverlässigkeitsüberprüfung

Die Fraktion der AfD im 17. Landtag von Baden-Württemberg wendet sich mit einem Organstreitverfahren gegen Regelungen der Hausordnung des Landtags von Baden-Württemberg vom 25.09.2019 in der Fassung vom 10.02.2021. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass Mitarbeiter der Fraktionen und Abgeordneten erst nach Durchführung einer polizeilichen Zuverlässigkeitsüberprüfung durch das Landeskriminalamt uneingeschränkten Zugang zu den Räumlichkeiten des Landtags erhalten. Die Fraktion der AfD im Landtag ist der Auffassung, dass die Regelungen ihre organschaftlichen Rechte verletzen, da die Zuverlässigkeitsüberprüfung zu einer permanenten erkennungsdienstlichen Überwachung der Mitarbeiter führe und ihre Tätigkeit als Fraktion durch die eingeschränkten Zutrittsrechte für nicht (erfolgreich) überprüfte Mitarbeiter beeinträchtigt werde.

VerfGH hält Regelung zum Schutz von Leib und Leben für gerechtfertigt

Der VerfGH hat den Antrag als nicht begründet zurückgewiesen. Die in §§ 11 ff. Hausordnung vorgesehene Zuverlässigkeitsüberprüfung von Mitarbeitern beeinträchtige zwar den aus Art. 27 Abs. 3 LV (Landesverfassung Baden-Württemberg) abgeleiteten Fraktionsstatus der Antragstellerin mittelbar, weil die Antragstellerin und ihre Mitglieder durch die potentiell eingeschränkte Zutrittsberechtigung nicht mehr vollumfassend und nach eigenem Ermessen auf die Unterstützung ihrer Mitarbeiter in den Liegenschaften des Landtags zurückgreifen können. Soweit die Antragstellerin eine permanente erkennungsdienstliche Überwachung unmittelbar der betroffenen Mitarbeiter und mittelbar der sie beschäftigenden Fraktionen und Abgeordneten befürchtet, gebe die streitgegenständliche Maßnahme der Antragstellerin – der Erlass der §§ 11 ff. Hausordnung – hierfür jedoch keine Anhaltspunkte. 

Regelung hinreichend bestimmt

Diese Beeinträchtigung sei jedoch durch den von der Antragsgegnerin mit der Ausübung ihres Hausrechts gemäß Art. 32 Abs. 2 Satz 1 LV bezweckten Schutz von Leib und Leben der Abgeordneten sowie aller im Landtag anwesenden Personen gerechtfertigt. Die Anknüpfung an den unbestimmten Rechtsbegriff der Zuverlässigkeit sei dabei nicht zu beanstanden, da dieser Rechtsbegriff durch Sinn und Zweck der streitgegenständlichen Regelungen, Gefahren für Leib und Leben der Abgeordneten sowie aller im Landtag Anwesenden abzuwehren, hinreichend konkretisierbar sei. Auch im Übrigen sind die Regelungen der §§ 11 ff. Hausordnung in Verbindung mit den Ausführungsbestimmungen der Antragsgegnerin als hinreichend bestimmt anzusehen. Insbesondere gäben sie die Abläufe der Zuverlässigkeitsüberprüfung und die in ihrem Rahmen heranzuziehenden polizeilichen Erkenntnisse hinreichend deutlich zu erkennen.

Regelung auch verhältnismäßig

Die Beschränkung der Statusrechte der Abgeordneten und der daraus abgeleiteten Fraktionsrechte trage auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung und wahre insbesondere einen angemessenen Ausgleich zwischen der bezweckten Sicherheit in den Räumen des Parlaments einerseits und den damit kollidierenden Statusrechten andererseits. Insbesondere entsprächen die §§ 11 ff. Hausordnung dem Verhältnismäßigkeitsgebot im engeren Sinne (Angemessenheit), da die eingesetzten Mittel nicht außer Verhältnis zur Schwere der Beeinträchtigung stehen. Für die grundsätzliche Angemessenheit einer auf das Hausrecht gestützten Zuverlässigkeitsüberprüfung spreche zunächst die eher schwach ausgeprägte Intensität der – ohnehin nur mittelbaren – Beeinträchtigung des Fraktionsstatus. Die betroffene Fraktion und ihre Mitglieder könnten in den ihnen vom Landtag zur Verfügung gestellten Büroräumen weiter uneingeschränkt auf die Unterstützung nicht (erfolgreich) zuverlässigkeitsüberprüfter Mitarbeiter zurückgreifen. Eine mittelbare Kontrolle der Fraktion beziehungsweise der Abgeordneten finde nicht statt, weil die Zuverlässigkeitsüberprüfung nur über Datenbankauskünfte (Bestandsdaten) und nur bezogen auf die Person des Mitarbeiters erfolge.

Gewichtiges Interesse der Sicherheit des Landtages überwiegt

Demgegenüber überwiege grundsätzlich das hoch zu gewichtende Interesse an der Sicherheit im Landtagsgebäude und damit verbunden der Funktionsfähigkeit des Parlaments. In diesem Lichte erschienen auch die in der Ausführungsbestimmung genannten Regelbespiele als angemessen. Sie dienten zugleich als ermessenskonkretisierende Leitlinien, nach denen die Gefahrenlage, die zur Feststellung der Unzuverlässigkeit führen kann, den aus den genannten Regelbeispielen ableitbaren Gefahren zumindest vergleichbar sein muss. Im Ergebnis seien die organschaftlichen Rechte der Antragstellerin durch den Erlass der streitgegenständlichen Regelungen der Hausordnung daher nicht verletzt.

VerfGH BW, Urteil vom 04.04.2022 - 1 GR 69/21

Redaktion beck-aktuell, 5. April 2022.