Kein Fraktionsanspruch auf eigenes Vorschlagsrecht bei Verfassungsrichterwahl

Die AfD-Fraktion wollte nach dem Tod eines von ihr vorgeschlagenen Verfassungsrichters auch über dessen Nachfolge mitentscheiden. Das VerfGH Baden-Württemberg stellte nun klar: Einklagen könne man das nicht.

Eine Landtagsfraktion kann aus der baden-württembergischen Landesverfassung kein eigenes Vorschlags- oder Benennungsrecht für die Wahl von Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs ableiten. Die vom Landtag getroffene Personalentscheidung verletze daher keine Fraktionsrechte, entschied der VerfGH Baden-Württemberg (Urteil vom 31.07.2025 – 1 GR 105/24).

Die AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag hatte sich in einem Organstreitverfahren gegen die Nachwahl eines neuen Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2024 gewendet. Vorausgegangen war der Tod eines Verfassungsrichters, den die Fraktion selbst im Jahr 2018 vorgeschlagen hatte. Der Landtag besetzte die freie Stelle mit einem Kandidaten aus einem gemeinsamen Vorschlag der Fraktionen von GRÜNE, CDU, SPD und FDP/DVP neu. Der von der AfD benannte Bewerber erhielt keine Mehrheit. Die Fraktion sah sich in einem vermeintlichen Vorschlags- und Benennungsrecht verletzt und beantragte die Feststellung einer Rechtsverletzung.

Wahlfreiheit des Landtags steht über Fraktionsinteressen

Der VerfGH wies den Antrag nun als unzulässig zurück. Die Fraktion sei schon nicht antragsbefugt, weil es das behauptete alleinige Vorschlags- und Benennungsrecht gar nicht gebe. Weder die Landesverfassung noch die Geschäftsordnung des Landtags enthielten hierzu eine ausdrückliche Regelung. In der Staatspraxis stammten die Wahlvorschläge üblicherweise von einzelnen oder mehreren Fraktionen gemeinsam – ein Anspruch auf Berücksichtigung ergebe sich daraus nicht, so das Gericht.

Nach Auffassung des VerfGH ist Ausgangspunkt jeder Wahlentscheidung die freie Wahl durch den Landtag mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Einschränkungen dieser Freiheit ließen sich nur aus den Inkompatibilitätsregeln des Art. 68 Abs. 3 Satz 6 LV ableiten – also dem Verbot, dass Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs gleichzeitig etwa dem Bundestag, dem Bundesrat oder einer Landesregierung angehören dürfen.

Im Übrigen, so das Gericht, sei es Sache des einfachen Gesetzgebers, das Besetzungsverfahren näher auszugestalten. Dem Landtag komme als Wahlorgan nur die verantwortungsvolle Aufgabe zu, die Mitglieder des VerfGH entsprechend zu bestimmen.

Das Demokratieprinzip: Parlamentsmehrheit legitimiert Richterwahl

Auch aus dem Demokratieprinzip ergibt sich nach Auffassung des VerfGH kein Anspruch auf ein Vorschlagsrecht einzelner Fraktionen. Dieses Prinzip verlange eine Legitimation der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs, die auf das Volk zurückgehe. Diese sei durch die freie Wahl durch den vom Volk gewählten Landtag gewahrt. Die Wahlfreiheit stärke die demokratische Legitimation sogar, weil sie eine tatsächliche Auswahl ermögliche.

Auch ein Verfassungsgewohnheitsrecht, das ein entsprechendes Recht begründen könnte, verneinten die Richterinnen und Richter ausdrücklich. Es fehle bereits an einer ständigen Übung, wonach Fraktionen entsprechend ihrer Stärke regelmäßig Mitglieder in den Verfassungsgerichtshof hätten entsenden können. Vielmehr hätten Fraktionen auch in der Vergangenheit ohne eine ihrer Größe entsprechende Erfolgsquote Kandidatinnen und Kandidaten benannt.

VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.07.2025 - 1 GR 105/24

Redaktion beck-aktuell, cil, 13. August 2025.

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