VerfGH Bayern: Volksbegehren gegen Ceta nicht zuzulassen

Das geplante Volksbegehren "Nein zu CETA!" ist gescheitert. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat am 15.02.2017 entschieden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung nicht gegeben sind (Az.: Vf. 60-IX-16). Mit dem Volksbegehren wollte die Initiative erreichen, dass die Bayerische Staatsregierung landesgesetzlich angewiesen wird, im Bundesrat gegen das Ceta-Zustimmungsgesetz zu stimmen.

Initiative wollte Ceta per Volksbegehren verhindern

Die Initiatoren des Volksbegehrens "Nein zu CETA!" wollten das Freihandelsabkommen dadurch verhindern, dass die Bayerische Staatsregierung landesgesetzlich angewiesen wird, im Bundesrat gegen das Ceta-Zustimmungsgesetz zu stimmen. Für ihr Anliegen hatten sie 30.002 gültige Unterschriften eingereicht. Sie stützen sich auf Art. 70 Abs. 4 Satz 2 der Bayerischen Verfassung, wonach die Staatsregierung in ihren verfassungsmäßigen Aufgaben durch Gesetz gebunden werden kann, wenn das Recht der Gesetzgebung durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU betroffen ist.

Innenministerium lehnte Zulassung des Volksbegehrens ab

Das Bayerische Innenministerium lehnte die Zulassung des Volksbegehrens ab, da es dieses für unzulässig hielt. Die Voraussetzungen des Art. 70 Abs. 4 Satz 2 der Bayerischen Verfassung lägen nicht vor, da ein auf die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU gerichtetes Verfahren der Bundesgesetzgebung weder eingeleitet sei noch absehbar eingeleitet werden solle. Eine Zulassung des Volksbegehrens komme auch deshalb nicht in Betracht, weil mit einer innerstaatlichen Ratifikation von CETA keine Hoheitsrechte auf die EU übertragen würden. Das Ministerium legte die Sache daher gemäß Art. 64 Landeswahlgesetz dem Bayerischen VerfGH zur Entscheidung vor.

VerfGH: GG-Konformität einer Instruktion der Mitglieder der Landesregierung im Bundesrat durch Landesvolk zweifelhaft

Der VerfGH hat entschieden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens nicht gegeben sind. Dabei hat er offen gelassen, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, die Bindungswirkung des Art. 70 Abs. 4 Satz 2 der Bayerischen Verfassung auf das Abstimmungsverhalten der Staatsregierung im Bundesrat zu erstrecken. Allerdings erscheint dies nach seiner Ansicht zweifelhaft. Denn der Verfassungsgeber des Grundgesetzes habe sich für die Ausgestaltung des Bundesrats als Kammer der Landesregierungen und gegen ein auf dem Gedanken der Repräsentanz des Landesstaatsvolks beruhendes Senatssystem entschieden. Aus dieser Konzeption habe das Bundesverfassungsgericht in einer 1958 ergangenen Entscheidung gefolgert, dass das Landesparlament oder das Landesvolk zu einem Hineinwirken in die Entscheidungen des Bundesrats nicht befugt sei. Eine Instruktion der Mitglieder der Landesregierung im Bundesrat durch das Landesvolk sei nach der Struktur des Bundesrats ausgeschlossen.

Kein unmittelbar bevorstehendes Übertragungsverfahren – Bewertung des Bundesgesetzgebers maßgeblich

Laut VerfGH kann das mit dem Volksbegehren angestrebte Gesetz zur Bindung der Staatsregierung bei der Abstimmung über das Ceta-Zustimmungsgesetz im Bundesrat aber schon deshalb nicht auf Art. 70 Abs. 4 Satz 2 der Bayerischen Verfassung gestützt werden, weil ein auf die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU gerichtetes Verfahren auf Erlass eines Bundesgesetzes, das nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG der Zustimmung des Bundesrats bedürfe, weder eingeleitet sei noch eine solche Einleitung unmittelbar bevorstehe. Maßgeblich sei dabei allein, wie die Gesetzgebungsorgane des Bundes das zur Abstimmung gestellte Gesetzesvorhaben bewerteten. Führten sie kein Gesetzgebungsverfahren nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG durch, sei auch kein Raum für eine Bindung der Staatsregierung durch Landesgesetz. Etwaige Meinungsverschiedenheiten über das Erfordernis eines Gesetzes nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG seien gegebenenfalls vom BVerfG zu entscheiden. Eine Kompetenz des bayerischen Gesetzgebers oder des VerfGH zur Beurteilung dieser Frage sei nicht eröffnet.

Einstufung des Ceta-Zustimmungsgesetzes als Gesetz im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG derzeit nicht erkennbar

Der VerfGH fährt fort, dass der Ratifikationsprozess in den Mitgliedstaaten nach den Ausführungen des Innenministeriums bislang nicht in Gang gesetzt worden sei. Dies solle erst nach der nun – am 15.02.2017 – erfolgten Zustimmung des EU-Parlaments zu Ceta geschehen. Die Bundesregierung beabsichtige, zu gegebener Zeit einen Entwurf zu einem Zustimmungsgesetz nach dem für völkerrechtliche Verträge geltenden Art. 59 GG einzubringen. Noch nicht festgelegt habe sich die Bundesregierung, ob das Gesetzgebungsverfahren noch in der laufenden Wahlperiode durchgeführt werden soll. Gegenwärtig sei daher kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Bundesregierung oder der Bundestag das Vorhaben als Gesetz im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG einstufen wird. Das Volksbegehren könne daher unabhängig davon, ob demnächst eine Einbringung des Vertragsgesetzes zu erwarten sei, nicht zugelassen werden.

VerfGH Bayern, Entscheidung vom 15.02.2017 - 15.02.2017 Vf. 60-IX-16

Redaktion beck-aktuell, 15. Februar 2017.

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