VerfGH Bayern versagt Eilantrag gegen Ausgangsbeschränkungen in Bayern Erfolg

In Bayern bleibt es bei den durch die Zweite Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung angeordneten Ausgangsbeschränkungen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat es am 24.04.2020 abgelehnt, die am 16.04.2020 ergangene Verordnung durch einstweilige Anordnung außer Vollzug zu setzen. Dies sei vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie mit dem Schutz von Leben und Gesundheit nicht vereinbar (Az.: Vf. 29-VII-20).

Verlassen der Wohnung nur aus triftigen Gründen

Die angegriffenen Regelungen in der vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlassenen Verordnung erlauben das Verlassen der eigenen Wohnung nur bei Vorliegen triftiger Gründe, wie insbesondere für die Ausübung beruflicher Tätigkeiten, die Inanspruchnahme medizinischer Versorgung, Einkäufe, Besuche und Begleitung in bestimmten Fällen, Sport und Bewegung an der frischen Luft mit gewissen Einschränkungen sowie Handlungen zur Versorgung von Tieren. Im Fall einer polizeilichen Kontrolle sind die triftigen Gründe glaubhaft zu machen. Verstöße gegen die Ausgangsbeschränkungen können mit Bußgeld geahndet werden. Die Regelungen treten mit Ablauf des 03.05.2020 außer Kraft.

Verordnung als zu unbestimmt und als unverhältnismäßig angegriffen

Der Antragsteller ist der Auffassung, die Ausgangsbeschränkungen seien zu unbestimmt und griffen in unverhältnismäßiger Weise in Freiheitsrechte der Bürger ein, die die Bayerische Verfassung garantiert. Er hat deshalb am 21.04.2020 Popularklage erhoben mit dem Ziel, dass die Regelungen zu den Ausgangsbeschränkungen vom Bayerischen VerfGH für verfassungswidrig und nichtig erklärt werden. Zugleich will er mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erreichen, dass die Vorschriften sofort außer Vollzug gesetzt werden.

VerfGH: Popularklage wird nicht offensichtlich erfolgreich sein

Der VerfGH hat den Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung abgelehnt. Im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens könne bei der aufgrund der Eilbedürftigkeit allein möglichen überschlägigen Prüfung nicht von offensichtlichen Erfolgsaussichten, aber auch nicht von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Hauptantrags im Popularklageverfahren ausgegangen werden. Vergleichbare Vorläufervorschriften seien bereits Gegenstand verschiedener verfassungs- und verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen gewesen. Neben dem Bayerischen VerfGH (BeckRS 2020, 4602) habe auch das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen insoweit den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Weder die seither eingetretene rechtliche und tatsächliche Entwicklung noch die vom Antragsteller in der Popularklage dargelegten Gründe führen dazu, dass die Popularklage als offensichtlich erfolgreich angesehen werden könnte. Die Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung sei deshalb anhand einer Folgenabwägung zu treffen.

VerfGH bestätigte tiefgreifende Eingriffe

Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte die Popularklage im Hauptsacheverfahren Erfolg, wären Personen zu Unrecht vom Verlassen der eigenen Wohnung beziehungsweise dem Aufenthalt außerhalb der eigenen Wohnung abgehalten worden, hätten triftige Gründe zu Unrecht glaubhaft machen müssen und/oder wären zu Unrecht mit einer Ahndung belastet worden. Neben Einschränkungen für die unmittelbar Betroffenen gebe es auch umfangreiche mittelbare Auswirkungen (zum Beispiel auf Menschen, die nicht besucht werden können, wirtschaftliche Betriebe, die zwar geöffnet sind, wegen der Bewegungseinschränkungen aber weniger frequentiert werden et cetera). All dies wiege schwer, insbesondere deshalb, weil es sich teilweise um tiefgreifende Grundrechtseingriffe handelt, eine Vielzahl von Personen betroffen ist, die Eingriffe partiell irreversibel sind und Verstöße als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden können.

Ohne Einschränkungen Erkrankung vieler Menschen zu befürchten

Erginge dagegen die beantragte einstweilige Anordnung und hätte die Popularklage im Hauptsacheverfahren keinen Erfolg, würde es mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Vielzahl von Handlungen kommen, die durch die angegriffenen Vorschriften unterbunden werden sollen. Hierdurch würde die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, einer Überlastung des Gesundheitssystems und schlimmstenfalls des Todes von Menschen erhöht. Nach der Risikoeinschätzung des Robert-Koch-Instituts, dem der Bundesgesetzgeber im Zusammenhang mit dem Infektionsschutz eine maßgebliche Rolle eingeräumt hat, werde die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit als insgesamt hoch eingeschätzt. Ziel müsse es sein, die weitere Ausbreitung des Virus so weit wie möglich zu verzögern.

Leben und Gesundheit zu schützen – mögliche Lockerungen zu prüfen

Wegen der überragenden Bedeutung von Leben und Gesundheit der möglicherweise Gefährdeten überwiegen nach Ansicht des VerfGH Bayern die Gründe gegen das Außerkraftsetzen der angegriffenen Verordnung. Bei einer künftigen Aufrechterhaltung oder Fortschreibung gravierender Grundrechtseinschränkungen durch die angegriffene Verordnung habe der Normgeber eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen und zu untersuchen, ob es angesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet werden kann, Einschränkungen – gegebenenfalls unter Auflagen – (weiter) zu lockern.

Redaktion beck-aktuell, 27. April 2020.