Privatdozent: Möglicher Widerruf der Lehrbefugnis bei Nichterfüllung der Titellehre verletzt Berufsfreiheit
Der Antragsteller ist Privatdozent an einer bayerischen Universität. Mit seiner Popularklage rügte er, dass die unentgeltliche Titellehre von Privatdozenten und außerplanmäßigen Professoren gegen Grundrechte der Bayerischen Verfassung verstoße. Die Möglichkeit zum Widerruf der Lehrbefugnis und der damit verbundenen Bestellung als Privatdozent oder außerplanmäßiger Professor nach Art. 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayHSchPG für den Fall, dass die Obliegenheit zur unentgeltlichen Lehrtätigkeit im Umfang von mindestens zwei Lehrveranstaltungsstunden im Studienjahr (Titellehre) nicht erfüllt wird, verletze die in Art. 101 der Bayerischen Verfassung verbürgte Berufswahlfreiheit. Denn faktisch seien die Lehrbefähigung sowie die Lehrbefugnis und damit Titel und Tätigkeit des Privatdozenten notwendig, um später den Beruf eines Professors ausüben zu können.
Kläger geht von verfassungswidriger Ungleichbehandlung aus
Die Vorschrift bewirke auch eine Ungleichbehandlung gemäß Art. 118 der Bayerischen Verfassung, da Unterschiede der Lehre von Privatdozenten und des hauptamtlichen wissenschaftlichen Personals sowie der Lehrbeauftragten nicht mehr bestünden. Trotzdem würden die einen vergütet und die anderen nicht. Es gebe nur zwei Möglichkeiten: Entweder werde die Verpflichtung von Privatdozenten wieder auf das zulässige zumutbare Maß zurückgestutzt oder es müsse jede Lehrleistung vergütet werden, sobald festgestellt sei, dass diese einen gewissen Anteil an der öffentlichen Bildungsaufgabe erbringe.
VerfGH: Berufsfreiheit nicht verletzt – Titelehre zur Qualifikationssicherung gerechtfertigt
Der VerfGH hat die Klage abgewiesen. Dass nach Art. 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayHSchPG die Lehrbefugnis und die damit verbundene Bestellung als Privatdozent oder als außerplanmäßiger Professor widerrufen werden könne, wenn die Obliegenheit zur Titellehre nicht erfüllt wird, sei mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Die Berufsfreiheit sei dadurch nicht verletzt. Wie der VerfGH erläutert, solle die Titellehre den Privatdozenten durch eine regelmäßige Ausübung der Lehrtätigkeit die Erhaltung ihrer im Habilitationsverfahren unter Beweis gestellten Qualifikation als Forscher und Lehrer ermöglichen. Die Titellehre sei zur Qualifikationssicherung im Hinblick auf den erstrebten Beruf des Universitätsprofessors geeignet und erforderlich. Sie sei auch unter Berücksichtigung ihrer Unentgeltlichkeit verhältnismäßig.
Vergütung von Privatdozenten kann bei Lehrveranstaltungen im öffentlichen Interesse zwingend sein
Der VerfGH führt weiter aus, dass die angegriffene Regelung nicht isoliert betrachtet werden könne, sondern durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 26 Abs. 2 Satz 2 BayHSchPG ergänzt werde. Dort sei bestimmt, dass den Privatdozenten nach Maßgabe der von den zuständigen Staatsministerien zu erlassenden Bestimmungen eine Lehrvergütung gewährt werden kann. Bei der Ausübung dieses der Hochschule eingeräumten Ermessens sei auch zu berücksichtigen, ob die jeweilige Lehrveranstaltung im öffentlichen Interesse durchgeführt wird (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 der Lehrauftrags- und Lehrvergütungsvorschriften für die staatlichen Hochschulen – LLHVV). Hierdurch könne sich gegebenenfalls das Ermessen auf Null reduzieren.
Privatdozenten lehren aber überwiegend im eigenen Interesse
Der VerfGH streicht heraus, dass demgegenüber die Lehre der Privatdozenten, soweit sie nicht zur Vervollständigung des Lehrangebots erforderlich sei, überwiegend in deren Interesse erfolge und nicht in demjenigen der Hochschule. Der Gesichtspunkt der sparsamen Verwaltung der Haushaltsmittel rechtfertige es, für solche Lehrveranstaltungen keine Vergütung vorzusehen, zumal den Privatdozenten hinsichtlich des Inhalts keine Vorgaben gemacht werden könnten. Privatdozenten dürften etwa auch zu Lehrangeboten der dienstrechtlich berufenen Universitätsprofessoren parallel lesen. Weitere Vorteile bestünden für Privatdozenten darin, dass sie Mitglieder der Hochschule und Hochschullehrer sind (Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 3 Satz 1 BayHSchPG), ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, die Forschungseinrichtungen der Hochschule für ihre Zwecke zu nutzen (Art. 28 Abs. 2 BayHSchPG), und sie nach mehreren Jahren Lehrtätigkeit die akademische Würde eines außerplanmäßigen Professors erhalten können (Art. 29 BayHSchPG).
Belastung durch unentgeltliche Titellehre zumutbar
Die mit der – nicht erzwingbaren – unentgeltlichen Titellehre verbundene zeitliche Inanspruchnahme halte sich zudem in der Regel in engen Grenzen und ermögliche es den Privatdozenten, ohne größere Schwierigkeiten daneben noch andere Tätigkeiten auszuüben, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Die Belastung durch die unentgeltliche Titellehre sei den Privatdozenten daher zuzumuten.
Vergütungsanspruch von Fachgerichten zu prüfen
Ob die jeweilige Hochschule im Einzelfall die für die Titellehre maßgeblichen Vorschriften zutreffend ausgelegt und angewendet habe, sei im Popularklageverfahren nicht zu prüfen, so der VerfGH. Über die Frage, inwieweit einem Privatdozenten oder einem außerplanmäßigen Professor für seine Lehre eine Vergütung zustehe, sei gegebenenfalls von den dafür zuständigen Fachgerichten zu entscheiden.
Kein Verstoß gegen Gleichheitssatz
Der VerfGH sieht auch keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Zwischen dem hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal (Art. 2 Abs. 1 BayHSchPG) und den Lehrbeauftragten (Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchPG) einerseits sowie den Privatdozenten und den außerplanmäßigen Professoren andererseits bestünden Unterschiede, die nach Art und Gewicht eine verschiedenartige gesetzliche Regelung der Vergütung rechtfertigten. Das hauptberufliche Personal stehe anders als Privatdozenten in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zum Freistaat Bayern.
Lehrbeauftragte ergänzen Lehrangebot
Die Lehrbeauftragten unterscheiden sich laut VerfGH ferner insoweit von den Privatdozenten und außerplanmäßigen Professoren, als sie zur Ergänzung des Lehrangebots herangezogen, also von der Hochschule ausgewählt würden, um deren Aufgaben erfüllen zu können. Ihnen würden grundsätzlich Lehrveranstaltungen mit einer bestimmten Thematik zugewiesen, wohingegen Privatdozenten und außerplanmäßige Professoren die Durchführung ihrer Lehrveranstaltungen grundsätzlich autonom bestimmen könnten.
Allein im Rahmen der Titellehre lehrende Privatdozenten müssen nicht vergütet werden
Nach Ansicht des VerfGH rechtfertigen diese Unterschiede es, Privatdozenten jedenfalls dann keine Vergütung zu gewähren, wenn sie nicht ebenso wie Lehrbeauftragte speziell zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe von der Hochschule mit der Durchführung einer Lehrveranstaltung betraut werden, sondern allein aufgrund ihrer Lehrbefugnis im Rahmen ihres Rechts zur Titellehre lehren.