Verf­GH Bay­ern: Keine Po­pu­lar­k­la­ge gegen Ende der Un­ter­schutz­stel­lung des "Hohen Bu­chenen Wal­des im Ebra­cher Forst"

Die Po­pu­lar­k­la­ge gegen die Auf­he­bung der Un­ter­schutz­stel­lung des "Hohen Bu­chenen Wal­des im Ebra­cher Forst" ist ge­schei­tert. Der Baye­ri­sche Ver­fas­sungs­ge­richts­hof hat ent­schie­den, dass sie be­reits un­zu­läs­sig sei, weil die Mög­lich­keit einer Grund­rechts­ver­let­zung nicht auf­ge­zeigt werde. Hinzu komme, dass hier Aus­le­gung und An­wen­dung der bun­des­recht­li­chen Vor­schrift des § 29 BNatSchG durch den Lan­des­ver­ord­nungs­ge­ber im Nor­men­kon­troll­ver­fah­ren be­reits vom Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in der Sache ge­prüft und in ihrem In­halt be­stä­tigt wor­den seien. Des­we­gen schei­de eine die­sel­be Frage be­tref­fen­de Kon­trol­le des Verf­GH von vorn­her­ein aus, da eine sol­che Prü­fung auf eine der Kom­pe­tenz­ver­tei­lung des Grund­ge­set­zes wi­der­spre­chen­de mit­tel­ba­re Kon­trol­le der bun­des­ge­richt­li­chen Ent­schei­dung hin­aus­lau­fen würde (Ent­schei­dung vom 19.03.2018, Az.: Vf. 4-VII-16).

Aus­wei­sung als ge­schütz­ter Land­schafts­be­stand­teil wie­der auf­ge­ho­ben

Das Land­rats­amt Bam­berg hatte am 16.04.2014 als un­te­re Na­tur­schutz­be­hör­de die Ver­ord­nung über den ge­schütz­ten Land­schafts­be­stand­teil "Der Hohe Bu­chene Wald im Ebra­cher Forst" er­las­sen. Durch diese Ver­ord­nung (Aus­gangs­ver­ord­nung) waren auf der Grund­la­ge von § 29 BNatSchG etwa 775 ha große, nord­west­lich des Mark­tes Ebrach ge­le­ge­ne ge­mein­de­freie Wald­flä­chen als ge­schütz­ter Land­schafts­be­stand­teil aus­ge­wie­sen wor­den. Ge­stützt auf eine neue Zu­stän­dig­keits­re­ge­lung hob die Re­gie­rung am 10.08.2015 die Aus­gangs­ver­ord­nung auf. Die Auf­he­bungs­ver­ord­nung ist Ge­gen­stand der Po­pu­lar­k­la­ge. Sie wurde be­reits mit einem Nor­men­kon­troll­an­trag nach § 47 VwGO an­ge­grif­fen, den der Baye­ri­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof in Mün­chen ab­ge­lehnt hat (BeckRS 2016, 106534). Die Re­vi­si­on gegen diese Ent­schei­dung hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt im De­zem­ber 2017 zu­rück­ge­wie­sen (Az.: 4 CN 8.16).

An­trag­stel­ler sehen Rechts­staats­prin­zip und Will­kür­ver­bot ver­letzt

Die An­trag­stel­ler rügen eine Ver­let­zung des Rechts­staats­prin­zips (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Baye­ri­sche Ver­fas­sung - BV) in Ver­bin­dung mit dem Will­kür­ver­bot (Art. 118 Abs. 1 BV), weil die Auf­he­bungs­ver­ord­nung in er­heb­li­chem Maß gegen völ­ker­recht­li­che und uni­ons­recht­li­che Vor­schrif­ten sowie gegen hö­her­ran­gi­ges Bun­des- und Lan­des­recht ver­sto­ße. Die Aus­gangs­ver­ord­nung sei of­fen­sicht­lich recht­mä­ßig ge­we­sen. Der Frei­staat Bay­ern habe sie ohne be­last­ba­re Rechts­grund­la­ge aus wirt­schaft­li­chen Grün­den und auf­grund rein po­li­ti­scher Er­wä­gung auf­ge­ho­ben und sich damit in ekla­tan­ter Weise und se­hen­den Auges au­ßer­halb der Rechts­ord­nung ge­stellt.

Baye­ri­scher Land­tag und baye­ri­sche Re­gie­rung zwei­feln an Zu­läs­sig­keit der Klage

Der Baye­ri­sche Land­tag und die Baye­ri­sche Staats­re­gie­rung haben Zwei­fel an der Zu­läs­sig­keit der Po­pu­lar­k­la­ge und hal­ten diese je­den­falls für un­be­grün­det. Die Aus­gangs­ver­ord­nung sei nicht von der Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge des § 29 BNatSchG ge­deckt und damit nich­tig ge­we­sen. Diese Vor­schrift diene dem Ob­jekt-, nicht dem Flä­chen­schutz. Der "Hohe Bu­chene Wald im Ebra­cher Forst" sei aber kein in der Natur ab­grenz­ba­rer Schutz­ge­gen­stand, son­dern er­ge­be nur als Teil eines grö­ße­ren Gan­zen Sinn.

Klage man­gels Auf­zei­gens einer Grund­rechts­ver­let­zung un­zu­läs­sig

Der Baye­ri­sche Ver­fas­sungs­ge­richts­hof hat die Po­pu­lar­k­la­ge ab­ge­wie­sen. Sie sei be­reits un­zu­läs­sig. Die An­trag­stel­ler hät­ten nicht in der er­for­der­li­chen Weise dar­ge­legt, in­wie­fern durch die an­ge­grif­fe­ne Auf­he­bungs­ver­ord­nung ein Grund­recht der Baye­ri­schen Ver­fas­sung ver­letzt sein könn­te.

Ver­let­zung all­ge­mei­nen Will­kür­ver­bots nicht auf­ge­zeigt

Ins­be­son­de­re er­ge­be sich aus der Po­pu­lar­k­la­ge keine Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Will­kür­ver­bots (Art. 118 Abs. 1 BV).  Die Re­gie­rung habe die Auf­he­bungs­ver­ord­nung auf die Er­wä­gung ge­stützt, die Ver­ord­nung des Land­rats­amts über den ge­schütz­ten Land­schafts­be­stand­teil "Der Hohe Bu­chene Wald im Ebra­cher Forst" sei durch die (bun­des­recht­li­che) Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge des § 29 BNatSchG nicht ge­deckt und des­halb ma­te­ri­ell rechts­wid­rig ge­we­sen. Das aus­ge­wie­se­ne Schutz­ge­biet stel­le kein taug­li­ches Schutz­ob­jekt dar, weil es an dem für eine Ein­stu­fung als ge­schütz­ter Land­schafts­be­stand­teil er­for­der­li­chen Merk­mal der Ab­grenz­bar­keit fehle. Die dem­nach recht­feh­ler­haf­te Aus­gangs­ver­ord­nung sei im In­ter­es­se der Rechts­klar­heit und -si­cher­heit auf­zu­he­ben.

Kein aus­rei­chen­des Maß an Sach­wid­rig­keit dar­ge­legt

Dem­ge­gen­über grün­de­ten die An­trag­stel­ler ihren Will­kür­vor­wurf auf die An­nah­me, die Aus­gangs­ver­ord­nung sei recht­mä­ßig ge­we­sen, weil § 29 BNatSchG bei rich­ti­gem Ver­ständ­nis an­de­re An­for­de­run­gen an das Schutz­ob­jekt stel­le und diese bei den Bu­chen­wald­flä­chen er­füllt seien. Ihre Auf­he­bung sei ohne recht­lich re­le­van­ten Grund al­lein aus po­li­ti­schem Kal­kül und auf­grund wirt­schaft­li­cher In­ter­es­sen er­folgt. Diese Ar­gu­men­ta­ti­on werde zwar unter Ein­be­zie­hung der uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben ein­ge­hend in recht­li­cher und tat­säch­li­cher Hin­sicht ent­wi­ckelt. Es fehl­ten je­doch auch bei Be­rück­sich­ti­gung der von den An­trag­stel­lern ge­schil­der­ten po­li­ti­schen und ver­fah­rens­recht­li­chen Ab­läu­fe im Vor­feld des Er­las­ses der Auf­he­bungs­ver­ord­nung An­ga­ben, die es zu­min­dest als mög­lich er­schei­nen las­sen, dass die Aus­le­gung und An­wen­dung der bun­des­recht­li­chen Vor­schrift des § 29 BNatSchG durch die Re­gie­rung nicht nur "falsch", son­dern in recht­li­cher oder tat­säch­li­cher Hin­sicht von einem sol­chen Maß an Sach­wid­rig­keit ge­prägt sein könn­te, dass der Auf­he­bungs­ver­ord­nung die Gel­tung ab­ge­spro­chen wer­den muss. Dafür sei der Po­pu­lar­k­la­ge nichts Kon­kre­tes zu ent­neh­men und auch nichts er­sicht­lich.

Ent­schei­dung des BVer­wG schlie­ßt lan­des­ver­fas­sungs­recht­li­che Kon­trol­le aus

Ab­ge­se­hen davon habe das BVer­wG im Nor­men­kon­troll­ver­fah­ren nach § 47 VwGO die Rechts­auf­fas­sung der Re­gie­rung ge­teilt. Der "Hohe Bu­chene Wald im Ebra­cher Forst" habe nicht als ge­schütz­ter Land­schafts­be­stand­teil im Sinn des § 29 BNatSchG aus­ge­wie­sen wer­den dür­fen, weil die hier­für er­for­der­li­che op­ti­sche Ab­grenz­bar­keit des Schutz­ob­jekts von sei­ner Um­ge­bung nicht ge­ge­ben sei. Damit fehle es für die Aus­gangs­ver­ord­nung an einer – bun­des­recht­li­chen – Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge. Als un­wirk­sa­me Ver­ord­nung könne sie zur Um­set­zung der Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts nichts bei­tra­gen, wes­halb ihre der Rechts­si­cher­heit die­nen­de Auf­he­bung nicht zu be­an­stan­den sei. Hat damit ein obers­ter Ge­richts­hof des Bun­des in einem Rechts­mit­tel­ver­fah­ren die Aus­le­gung und An­wen­dung des § 29 BNatSchG durch den Ver­ord­nungs­ge­ber in der Sache ge­prüft und in ihrem In­halt be­stä­tigt, liege nicht nur der von den An­trag­stel­lern er­ho­be­ne Will­kür­vor­wurf fern, be­tont der Verf­GH Bay­ern. Viel­mehr müsse auch eine lan­des­ver­fas­sungs­recht­li­che Kon­trol­le am Maß­stab des Will­kür­ver­bots von vorn­her­ein aus­schei­den, weil sie auf eine der Kom­pe­tenz­ver­tei­lung des Grund­ge­set­zes wi­der­spre­chen­de mit­tel­ba­re Über­prü­fung der Ent­schei­dung eines Bun­des­ge­richts hin­aus­lau­fen würde.

VerfGH Bayern, Entscheidung vom 19.03.2018 - 19.03.2018 Vf. 4-VII-16

Redaktion beck-aktuell, 22. März 2018.

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