Generelle Quarantänepflicht in Bayern war verfassungsgemäß

Die bayerische Corona-Regelung zur häuslichen Quarantäne für Ein- und Rückreisende in der vom 10.04. bis zum 15.05.2020 geltenden Fassung war mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Dies hat der Verfassungsgerichtshof Bayern am 23.11.2020 entschieden. Der Gesundheitsschutz habe die generelle Quarantänepflicht gerechtfertigt.

Alte Regelung sah generelle Quarantänepflicht für Ein- und Rückreisende vor

Der Antragsteller rügte eine Regelung der zur Bekämpfung des Corona-Virus erlassenen Einreise-Quarantäneverordnung in der vom 10.04. bis 15.05.2020 geltenden Fassung. Danach waren Personen, die auf dem Land-, See-, oder Luft-weg aus einem Staat außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in den Freistaat Bayern einreisten, verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Wohnung oder eine andere geeignete Unterkunft zu begeben und sich für einen Zeitraum von 14 Tagen nach ihrer Einreise ständig dort abzusondern. Die angegriffene Regelung beruhte auf der bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage des § 32 in Verbindung mit §§ 28 ff. Infektionsschutzgesetz (IfSG).

Antragssteller rügte Regelung als verfassungswidrig

Der Antragsteller machte geltend, die angegriffene Verordnungsregelung habe gegen das Grundrecht auf Freiheit der Person verstoßen, weil den hiervon Betroffenen das Recht genommen worden sei, sich an jedem beliebigen Ort aufzuhalten. Dieser Grundrechtseingriff sei von der Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt gewesen. Die Absonderungspflicht habe auch gegen das Übermaßverbot verstoßen. Die für bestimmte Berufsgruppen und Fallgestaltungen vorgesehenen Ausnahmen erschienen willkürlich. Es sei beispielsweise nicht einzusehen, weshalb sich der Antragsteller nach der Rückkehr von einem länger als 48 Stunden dauernden Jagdaufenthalt in seinem von ihm allein genutzten Jagdhaus in Österreich in häusliche Absonderung hätte begeben müssen, während eine Stewardess, die bei Auslandsflügen in voll besetzten Maschinen mit eingeschränkter Luftzirkulation wesentlich höherer Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen sei, hiervon verschont geblieben wäre. Auch das Grundrechte auf Freizügigkeit, die allgemeine Handlungsfreiheit, die Berufsfreiheit und das Eigentumsgrundrecht seien verletzt.

VerfGH: Keine unzulässige Einschränkung der Rechte

Die angegriffenen Vorschriften seien mit dem Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung vereinbar gewesen und hätten Grundrechte der Bayerischen Verfassung nicht in verfassungswidriger Weise eingeschränkt. Der VerfGH weist darauf hin, dass er eine auf einer bundesrechtlichen Ermächtigung beruhende Vorschrift des Landesrechts – anders als die Fachgerichtsbarkeit – nicht umfassend daraufhin zu überprüfen habe, ob der Normgeber die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsnorm zutreffend beurteilt hat. Die Rüge, die beanstandete Regelung sei durch die bundesrechtliche Ermächtigungsnorm des § 32 i. V. m. §§ 28 ff. IfSG nicht gedeckt gewesen, könne nur mittelbar als Verletzung des in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV verankerten Rechtsstaatsprinzips geprüft werden. Eine offensichtliche und gravierende Abweichung der Quarantäne-Regelung von den Vorgaben der Ermächtigung lasse sich jedoch nicht feststellen. 

Kein Eingriff in Freiheitsgrundrecht - Bußgeld als einzige Sanktion

In den Schutzbereich des Grundrechts auf Freiheit der Person (Art. 102 Abs. 1 BV) sei nicht eingegriffen worden. Zwar habe die Regelung die betroffenen Personen dazu verpflichtet, sich nach der Einreise zu einer selbst gewählten Unterkunft zu begeben und sich dort für einen Zeitraum von 14 Tagen in Eigenregie abzusondern. Die Einreise-Quarantäneverordnung habe jedoch keine Eingriffsbefugnisse geregelt, mittels derer ein Verbleiben in der selbst gewählten Unterkunft oder eine Rückkehr zu dieser unter Einsatz direkten Zwangs hätte durchgesetzt werden können. Als Sanktion im Fall eines Verstoßes gegen die Absonderungspflicht sei vielmehr nur die Verhängung eines Bußgelds vorgesehen gewesen. Eine über die Rechtspflicht zur Anwesenheit in der Unterkunft hinausgehende, unmittelbarem Zwang vergleichbare Beschränkung der Bewegungsfreiheit sei somit nicht hervorgerufen worden.

Gesundheitsschutz rechtfertigt Einschränkung des Freizügigkeitsgrundrechts

Art. 109 Abs. 1 BV (Freizügigkeit), wonach das Recht geschützt sei, sich an jedem beliebigen Ort in Bayern zu grundsätzlich jedem beliebigen Zweck aufzuhalten, sei ebenso wenig verletzt worden wie die Handlungsfreiheit, die Berufsfreiheit oder das Eigentumsrecht. Der Normgeber habe mit der angegriffenen Regelung das Ziel verfolgt, Ansteckungen mit dem Virus SARS-CoV-2 zu vermeiden und dadurch Leben und Gesundheit zu schützen sowie eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Dabei habe es sich um einen legitimen Regelungszweck gehandelt, der nach Ansicht des VerfGH eine Einschränkung des Grundrechts rechtfertigen konnte.

Pflicht zu Mund-Nasen-Bedeckung kein milderes Mittel

Die Verpflichtung zur Absonderung während der Geltungsdauer der angegriffenen Regelung vom 10.04. bis zum 15.05.2020 habe eine zur Erreichung des Regelungsziels erforderliche Maßnahme dargestellt. Der Verordnungsgeber habe ohne Überschreitung des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums davon ausgehen dürfen, dass mildere Mittel nicht in Betracht gekommen sind. Eine bloße Verpflichtung, für einen Zeitraum von 14 Tagen in der Öffentlichkeit eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen und durchgehend einen Sicherheitsabstand zu anderen Personen einzuhalten, hätte nur einen geringeren Schutz gegen die Übertragung des Virus gewährleistet als eine Absonderung. Entsprechendes gelte für die Anordnung der Durchführung von SARS-CoV-2-Tests bei eingereisten Personen.

Generelle Absonderungsverpflichtung angemessen

Es sei verfassungsrechtlich auch nicht bedenklich, dass der Normgeber angesichts der weltweiten Ausbreitung des Virus eine generelle Absonderungsverpflichtung nach Einreise aus dem Ausland für erforderlich gehalten habe, ohne eine Differenzierung danach vorzunehmen, wie sich die Infektionslage in dem Land dargestellt habe, aus dem die Einreise erfolgt sei. Die mit der angegriffenen Regelung verbundenen Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit stünden nicht in unangemessenem Verhältnis zu den legitimen Gemeinwohlzwecken, denen die Grundrechtsbeschränkung gedient habe. Auf der Grundlage der wissenschaftlichen Einschätzung des Robert-Koch-Instituts habe der Verordnungsgeber davon ausgehen dürfen, dass das Virus eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit der Bevölkerung darstellte, und diesen Rechtsgütern höheres Gewicht einräumen als den durch die Pflicht zur Absonderung hervorgerufenen Beeinträchtigungen. Hinzu komme, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 2 EQV in begründeten Einzelfällen Befreiungen von der Absonderungspflicht hätten erteilt werden können. 

Keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung

Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Einreisenden (Art. 118 Abs. 1 BV) war nach Ansicht des VerfGH nicht gegeben. Die Quarantäne-Regelung habe in Verbindung mit der Ausnahmeregelung vorrangig den Infektionsrisiken entgegengewirkt, die von einem nicht durch dringende Gründe gerechtfertigten Einreiseverkehr ausgegangen seien. Dies habe ein durch plausible, sachliche Gründe getragenes Regelungskonzept dargestellt.

Redaktion beck-aktuell, 25. November 2020.