Eilantrag gegen Teil-Lockdown vor VerfGH Bayern gescheitert
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Der Verfassungsgerichthof Bayern hat am 16.11.2020 einen Eilantrag auf Außervollzugsetzung verschiedener Bestimmungen zum coronabedingten Teil-Lockdown im Freistaat abgelehnt. Weder das Rechtsstaatsprinzip noch die Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte der Bayerischen Verfassung würden offensichtlich verletzt. Im Rahmen der Folgenabwägung überwiege der Gesundheitsschutz.

Eilantrag gegen Teil-Lockdown

Die Antragsteller wenden sich gegen verschiedene Bestimmungen der Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (8. BayIfSMV) zum coronabedingten Teil-Lockdown, unter anderem gegen die Verbote für Hotels, Restaurants und Veranstalter. Sie monieren, die Bestimmungen verstießen gegen das Rechtsstaatsprinzip, da sie zum einen mangels Erforderlichkeit der Regelungen von der Verordnungsermächtigung im (Bundes-)Infektionsschutzgesetz nicht gedeckt seien und zum anderen Bedenken gegen diese Ermächtigungsgrundlage bestünden. Ferner gebe es Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit den Grundrechten der Bayerischen Verfassung. Die Antragsteller haben deshalb Popularklage erhoben mit dem Ziel, die angegriffenen Regelungen der 8. BayIfSMV für verfassungswidrig und nichtig erklären zu lassen. Zugleich begehrten sie per Eilantrag die sofortige Außervollzugsetzung dieser Vorschriften.

VerfGH: Bei überschlägiger Prüfung kein Verstoß gegen Rechtsstaatsprinzip

Der VerfGH hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es lägen keine Gründe vor, die im Interesse der Allgemeinheit eine einstweilige Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile unabweisbar machten und eine vollständige oder teilweise Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelungen rechtfertigten. Bei der im Eilverfahren gebotenen überschlägigen Prüfung lasse sich nicht feststellen, dass die angegriffenen Vorschriften der 8. BayIfSMV wegen Fehlens einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage oder wegen einer Abweichung von den Vorgaben der bundesrechtlichen Ermächtigung gegen das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) verstoßen.

Eingeschränkter Prüfungsmaßstab hinsichtlich Bundesrecht zu beachten

Dabei sei zu beachten, dass der VerfGH im Hinblick auf Bundesrecht, anders als die Fachgerichtsbarkeit, nur einen eingeschränkten Prüfungsmaßstab hat. Aus den Bemühungen auf Bundesebene, in das Infektionsschutzgesetz einen neuen § 28a IfSG mit einem Beispielskatalog für notwendige Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 aufzunehmen, lasse sich nicht schließen, dass die bisherige Ermächtigungsgrundlage dem Parlamentsvorbehalt nicht genügt.

Freiheitsgrundrechte nicht offensichtlich unverhältnismäßig beeinträchtigt

Es sei auch nicht offensichtlich, dass die angegriffenen Vorschriften ein Freiheitsgrundrecht der Bayerischen Verfassung verletzen. Auch unter Berücksichtigung der Verschärfung der Corona-Regelungen sei insbesondere keine offensichtliche Verletzung der durch Art. 101 BV gewährleisteten Berufsfreiheit festzustellen. Hintergrund sei eine in jüngster Zeit immense Zunahme an Infektionen im Zuge des Pandemiegeschehens. Dass dem Normgeber, der nach Art. 99 Satz 2 Halbsatz 2 BV verpflichtet sei, die personellen und sachlichen Kapazitäten des Gesundheitssystems zu schützen, mildere, aber gleichermaßen wirksame Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um in den geregelten Bereichen die Infektionsgefahr zu minimieren und damit der weiteren Ausbreitung der Pandemie entgegenzuwirken, sei nicht offensichtlich. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Bayerische Staatsregierung ihrer Pflicht, die getroffenen Maßnahmen fortlaufend auf ihre Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit hin zu überprüfen, nicht nachkäme.

Gesetzgeber darf bei Pandemiegeschehen typisieren

Das Gleichheitsgrundrecht (Art. 118 Abs. 1 BV) oder das darin enthaltene Willkürverbot seien ebenfalls nicht offensichtlich verletzt, so die Richter weiter. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Normgeber besonders bei Massenerscheinungen, die sich – wie das gegenwärtige weltweite Infektionsgeschehen – auf eine Vielzahl von Lebensbereichen auswirkten, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen dürfe, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. Vor diesem Hintergrund sei es jedenfalls nicht offensichtlich, dass der Verordnungsgeber gegen den Gleichheitssatz verstoßen hat, indem er Friseure vom Verbot der Erbringung körpernaher Dienstleistungen ausgenommen (§ 12 Abs. 2 Satz 3 8. BayIfSMV), Wochenmärkte und andere Märkte zum Warenverkauf unter freiem Himmel einschließlich kleinerer traditioneller Kunst- und Handwerkermärkte, Töpfermärkte und Flohmärkte nach Maßgabe des § 12 Abs. 4 8. BayIfSMV nicht untersagt und hinsichtlich der weiterhin geöffneten Betriebe des Groß- und Einzelhandels nicht nach deren jeweiligem Warenangebot unterschieden hat.

OWi-Vorschriften nicht zu unbestimmt

Ebenso wenig dränge es sich auf, dass der Begriff des durch § 11 Abs. 1 Satz 2 8. BayIfSMV verbotenen gewerblichen Anbietens von Freizeitaktivitäten oder die von den Antragstellern angegriffenen Ordnungswidrigkeitenvorschriften zu unbestimmt sein könnten.

Gesundheitsschutz überwiegt

Laut VerfGH überwiegen bei der demnach gebotenen Folgenabwägung die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe. Auch wenn die 8. BayIfSMV gegenüber ihren Vorläufern erhebliche Verschärfungen in Form der vorübergehenden Schließung von Betrieben und sonstigen Einrichtungen enthalte, die bislang unter Auflagen hätten geöffnet bleiben können, müssten die Belange der Betroffenen gegenüber der fortbestehenden und in jüngster Zeit wieder erheblich gestiegenen Gefahr für Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen bei gleichzeitig drohender Überforderung der personellen und sachlichen Kapazitäten des Gesundheitssystems zurücktreten. Eine vorläufige Außerkraftsetzung einzelner Verordnungsbestimmungen würde die praktische Wirksamkeit des vom Verordnungsgeber verfolgten Gesamtkonzepts beeinträchtigen.

Redaktion beck-aktuell, 17. November 2020.