Einschränkungen wegen Corona-Pandemie bleiben in Bayern in Vollzug

Die Dritte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung bleibt in Vollzug. Dies hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof am 08.05.2020 in einem Eilverfahren entschieden. Nach einer Folgenabwägung verbleibe es insbesondere auch bei der Maskenpflicht. Die gravierenden Einschränkungen seien mit Blick auf den Gesundheitsschutz und eine drohende zweite Infektionswelle hinzunehmen.

Verordnung verlangt zahlreiche Einschränkungen des öffentlichen Lebens

Die vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlassene Dritte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 01.05.2020 (3. BayIfSMV), die durch § 23 Abs. 2 und 3 der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 05.05.2020 und durch § 1 der Verordnung vom 07.05.2020 geändert worden ist, untersagt landesweit Veranstaltungen und Versammlungen. Öffentliche Gottesdienste und öffentliche Versammlungen sind nur unter engen infektionsschutzrechtlichen Voraussetzungen erlaubt. Sämtliche Einrichtungen der Sport- und Freizeitgestaltung bleiben geschlossen, ebenso Gastronomiebetriebe, ausgenommen die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen, sowie Hotels und Beherbergungsbetriebe.

Einschränkungen für Läden, Schulen, Hochschulen sowie Maskenpflicht

Ladengeschäfte, Einkaufszentren und Kaufhäuser des Einzelhandels dürfen nur unter den Einschränkungen des § 4 Abs. 4 der 3. BayIfSMV öffnen, Dienstleistungsbetriebe müssen die Anforderungen des § 4 Abs. 5 der 3. BayIfSMV beachten. Der Besuch von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Altenheimen und Seniorenresidenzen ist weitgehend untersagt. Der Betrieb an den Hochschulen ist eingeschränkt. Kontaktbeschränkungen bestehen im öffentlichen und im privaten Raum. Personen ab dem siebten Lebensjahr sind verpflichtet, unter anderem im öffentlichen Personennahverkehr und beim Einkaufen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Verstöße können nach Maßgabe des § 9 der 3. BayIfSMV als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Unverhältnismäßiger Eingriff in Freiheitsrechte geltend gemacht

Die Antragsteller sind der Auffassung, diese Regelungen griffen in unverhältnismäßiger Weise in die Freiheitsrechte der Bürger ein, die die Bayerische Verfassung garantiert. Sie haben deshalb Popularklage erhoben mit dem Ziel, dass der VerfGH Bayern unter anderem die 3. BayIfSMV für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Zugleich wollen sie mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erreichen, dass die Vorschriften sofort außer Vollzug gesetzt werden.

Rechtsschutzbedürfnis nur in Bezug auf 3. BayIfSMV in aktueller Fassung

Der VerfGH hat den Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Außervollzugsetzung bestehe nur hinsichtlich der 3. BayIfSMV in ihrer aktuell geltenden Fassung, also einschließlich der am 06. und 08.05.2020 in Kraft getretenen Änderungen zu den Kontaktbeschränkungen im öffentlichen und im privaten Raum. Die früher geltenden Fassungen und erst recht die mit Ablauf des 03.05.2020 außer Kraft getretene Zweite Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, gegen die sich die Antragsteller in der Hauptsache ebenfalls wenden, könnten nicht mehr vorläufig außer Vollzug gesetzt werden.

Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen

Bezogen auf die aktuell geltenden Bestimmungen könne im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens bei überschlägiger Prüfung nicht von offensichtlichen Erfolgsaussichten, aber auch nicht von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Hauptantrags im Popularklageverfahren ausgegangen werden. Ob die 3. BayIfSMV insgesamt oder teilweise gegen die als verletzt gerügten Grundrechte oder sonstiges Verfassungsrecht verstößt, bedürfe einer eingehenden Prüfung, die im Rahmen des Eilverfahrens nicht möglich sei.

Annahme einer Gefahr für Leib und Leben vieler Menschen nachvollziehbar

Die Einschätzung des Normgebers, dass eine Gefahrenlage für Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen mit einer nicht auszuschließenden Überforderung der personellen und sachlichen Kapazitäten des Gesundheitssystems weiterhin vorliegt, sei nachvollziehbar, so der VerfGH. Es widerspreche jedenfalls nicht offenkundig dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass sich der Verordnungsgeber für eine weitere Woche bis zum Ablauf des 10.05.2020 zu einer Fortführung der Eindämmungsmaßnahmen und der mit ihnen verbundenen Grundrechtseingriffe entschieden hat. Die darin im Vergleich zu den Vorgängerregelungen enthaltenen nur vorsichtigen, schritt- und bereichsweisen Lockerungen dienten dem Ziel, die Anzahl der Neuinfektionen weiter zu verringern.

Maskenpflicht zur Eindämmung der Gefahr geeignet

Es sei auch nicht ersichtlich, dass die aktuell geltenden Eindämmungsmaßnahmen insgesamt oder teilweise ungeeignet wären, den mit der Verordnung verfolgten Zweck zu fördern. Das gelte insbesondere für die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht). Das Robert-Koch-Institut empfehle ein generelles Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum als einen Baustein, um Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren. Diese Bewertung möge fachlich umstritten sein. Das Tragen eines Mundschutzes sei aber jedenfalls nicht offensichtlich ungeeignet, um Infektionen durch unerkannte Träger zu verringern. Es liege zudem auf der Hand, dass die bloße Empfehlung in deutlich geringerem Maß dazu führen würde, dass bei den in der Verordnung bezeichneten Aufenthalten im öffentlichen Raum eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen wird. Dem Zweck, das Ansteckungsrisiko zu senken, werde daher durch eine Maskenpflicht gegenüber einer bloßen Empfehlung in deutlich höherem Maß Rechnung getragen.

Ohne Eilanordnung: Tiefgreifende Grundrechtseingriffe

Die demnach gebotene Folgenabwägung ergibt laut VerfGH, dass der Vollzug der Verordnung weder ganz noch teilweise auszusetzen ist. Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und würde sich die Popularklage im Hauptsacheverfahren als begründet erweisen, würde es zu Unrecht zu teilweise tiefgreifenden Grundrechtseingriffen kommen, die eine Vielzahl von Personen betreffen, teilweise massive unmittelbare wie mittelbare Folgen haben können und überwiegend irreversibel sind. Verstärkt werde die Wirkung der infektionsschutzrechtlichen Gebote, Verbote und Beschränkungen dadurch, dass Verstöße nach Maßgabe des § 9 3. BayIfSMV als Ordnungswidrigkeit geahndet werden können.

Mit Eilanordnung: Ansteckungsgefahr würde steigen

Erginge dagegen die einstweilige Anordnung, erwiese sich die Popularklage aber später als unbegründet, würde es zu einer Vielzahl von Handlungen kommen, die durch die einzelnen Verordnungsbestimmungen unterbunden werden sollen. Damit entfiele das vom Verordnungsgeber gewählte Schutzkonzept insgesamt oder verlöre einzelne seiner aufeinander abgestimmten Bestandteile, obwohl sie geeignet, erforderlich und zumutbar wären, die Infektionsraten des Coronavirus SARS-CoV-2 durch eine Begrenzung der persönlichen Kontakte möglichst gering zu halten. Infolgedessen würde sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, einer Überlastung des Gesundheitssystems und schlimmstenfalls des Todes von Menschen erhöhen.

Notwendigkeit des Schutzes vor zweiter Infektionswelle wiegt schwerer

Bei Beurteilung und Abwägung dieser Umstände überwögen die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe. Nach wie vor bestehe in Bayern die - wohl abgeschwächte, in ihrem Ausmaß aber schwer einzuschätzende - Gefahr einer "zweiten Infektionswelle", vor der zu schützen der Staat nach Art. 99 Satz 2 Halbsatz 2 Bayerische Verfassung auch verpflichtet ist. Demgegenüber müssten die mit den Verordnungsbestimmungen verbundenen Grundrechtsbeschränkungen und vielfältigen Beeinträchtigungen insbesondere persönlicher, wirtschaftlicher wie gesellschaftlicher Art derzeit zurücktreten, auch wenn sie bereits geraume Zeit andauern und inzwischen ein durchaus erhebliches Ausmaß erreicht haben.

Lockerungen in Abwägungen einzubeziehen

Bei der Folgenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die 3. BayIfSMV und die inzwischen in Kraft getretenen Änderungen für große Bereiche bereits zu spürbaren Lockerungen gegenüber der früheren Rechtslage führen. Hinzu komme, dass die angegriffene Verordnung nur für eine Woche Gültigkeit beansprucht und bereits mit Ablauf des 10.05.2020 außer Kraft tritt. Die mit ihr verbundenen Grundrechtseingriffe seien mithin zeitlich eng befristet. Schon am 09.05.2020 würden zudem die strikten Besuchsverbote gelockert, die § 5 3. BayIfSMV bislang für Krankenhäuser, vollstationäre Einrichtungen der Pflege, Altenheime und weitere Einrichtungen anordnet.

Keine Eil-Ausnahmen für Ausnahmen von Maskenpflicht

Der VerfGH hat im Rahmen der Folgenabschätzung erwogen, den Vollzug derjenigen aktuell geltenden Bestimmungen, die für bestimmte Bereiche eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung normieren, vorläufig insoweit auszusetzen, als sie solche Personen einbezieht, die aus medizinischen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen können. Hiervon habe er abgesehen, weil der bereits ab dem 11.05.2020 geltende § 1 Abs. 2 4. BayIfSMV eine sachgerechte und differenzierte Befreiung von der Maskenpflicht vorsehe und weil in den behördlichen Erläuterungen zum Umfang der aktuell geltenden Maskenpflicht darauf hingewiesen wird, dass Personen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen müssen, wenn sie etwa unter Asthma oder einer anderen Erkrankung leiden, die das Tragen einer Maske unzumutbar erschwert.

Redaktion beck-aktuell, 11. Mai 2020.