AfD scheitert mit Eilantrag gegen Äußerungen bayerischer Landtagspräsidentin

Die Präsidentin des Bayerischen Landtages hat mit diversen Äußerungen über die AfD-Fraktion im Landtag bei der Podiumsdiskussion "Lange Nacht der Demokratie" am 02.10.2020 voraussichtlich keine verfassungsmäßigen Rechte der Fraktion verletzt – dies vor allem, weil die Äußerungen auf tatsachengestützten Grundlagen beruhen, wie der Verfassungsgerichtshof Bayern in einem von der AfD angestrengten Eilverfahren entschieden hat.

Landtagspräsidentin beklagt durchgängige Provokation durch AfD-Fraktion

Gegenstand des Verfahrens ist eine Äußerung der Landtagspräsidentin. Am 02.10.2020 fand im Rahmen der bayernweiten Veranstaltungsreihe "Lange Nacht der Demokratie", für die die Antragsgegnerin die Schirmherrschaft übernommen hatte, eine Podiumsdiskussion unter dem Titel "Herausforderungen der Demokratie" statt, an der die Antragsgegnerin teilnahm. Zu dieser Veranstaltung veröffentlichte der Bayerische Landtag auf seiner Internetseite einen Bericht. Darin wird folgende, von der Antragstellerin beanstandete Äußerung der Antragsgegnerin wiedergegeben: "Das Muster bei uns im Landtag ist durchgängig Provokation und Abgrenzung gegenüber den `Altparteien`, wie die AfD die anderen Fraktionen nennt [...]. Einmal musste zum Beispiel unser Vizepräsident Alexander Hold einschreiten, als ein AfD-Mitglied aus Protest gegen die Maskenpflicht mit einer Gasmaske auftauchte. Es ist eine ständige Zwickmühle für die Parteien und auch für die Presse: Wie viel Aufmerksamkeit gibt man diesen Provokationen von rechts? Dabei verschwimmen manchmal die eigenen, pointierten Positionen der übrigen Parteien."

AfD-Fraktion will Verstoß gegen Neutralitätspflicht festgestellt wissen

Die Antragstellerin begehrt "im einstweiligen Rechtsschutz" die Feststellung, dass die beanstandete Äußerung der Präsidentin gegen deren "Verpflichtung zur Neutralität, Sachlichkeit und organschaftlicher Treue" gegenüber der Antragstellerin verstoßen hat; ferner soll die Antragsgegnerin verpflichtet werden, die Äußerung künftig zu unterlassen und zu widerrufen. Der VerfGH Bayern hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewiesen.

Unterlassung und Widerrufsbegehren schon unzulässig

Soweit die Antragstellerin Unterlassung und Widerruf der beanstandeten Äußerung begehrt, sei ihr Antrag auf Rechtsfolgen gerichtet, die im Organstreitverfahren grundsätzlich nicht bewirkt werden könnten, hebt der VerfGH hervor. Weiter führt er aus, dass nach der gebotenen summarischen Prüfung ein Antrag in der Hauptsache als unbegründet zu bewerten wäre. Die angegriffene Äußerung der Antragsgegnerin und deren Veröffentlichung im Internet wären in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht zu beanstanden.

Landtagspräsidentin zwar zu Neutralität verpflichtet

Aus Art. 13 Abs. 2, 16a BV ergebe sich ein Recht der Oppositionsabgeordneten auf chancengleiche Beteiligung an der parlamentarischen Willensbildung, das auch eine Fraktion als Zusammenschluss von Abgeordneten für sich in Anspruch nehmen könne. Dem entspreche die Verpflichtung der Staatsorgane, gegenüber den Abgeordneten und den Fraktionen Neutralität zu wahren. Dies gelte insbesondere für die Antragsgegnerin, die zum einen als Präsidentin den Bayerischen Landtag, somit eines der obersten Staatsorgane, repräsentiert und der zum anderen in speziellen Bereichen eine eigenständige Organstellung zukommt. Im Rahmen dieser Tätigkeiten sei die Präsidentin zur parteipolitischen Neutralität und zur unparteilichen Amtsführung verpflichtet. Einseitig parteiergreifende Stellungnahmen ließen sich auch mit der Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit nicht rechtfertigen. Durch die Geltung des Neutralitätsgebots dürfe allerdings die Wahrnehmung der Aufgaben als Parlamentspräsidentin nicht infrage gestellt werden.

Amtsautorität nicht missbraucht

Es sei indes nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise von ihrer Amtsautorität Gebrauch gemacht hat, so der VerfGH. Das Auftreten bei der Podiumsdiskussion sei Teil der Öffentlichkeitsarbeit gewesen, die zu den Aufgaben der Parlamentspräsidentin gehört. Soweit die Antragsgegnerin in Bezug auf die Antragstellerin "durchgängig Provokation und Abgrenzung gegenüber den ‚Altparteien‘" moniert hatte, sei dies mit dem konkreten Beispiel des Gasmaskenvorfalls untermauert gewesen. Diese offensichtlich als Protest gegen die Maßnahmen der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gedachte Vorgehensweise habe zu einer Rüge durch den Vizepräsidenten des Landtags geführt. Weder das Ergreifen von Ordnungsmaßnahmen im Rahmen der Sitzungsleitung noch die Kommunikation entsprechender Vorfälle aus einer öffentlichen Sitzung könne eine Verletzung der Neutralitätspflicht bewirken.

Auch behauptete "Provokation" auf Tatsachen beruhend

In der Wortwahl "Muster" sowie "durchgängig Provokation und Abgrenzung" komme darüber hinaus zum Ausdruck, dass es sich bei dem genannten Beispiel nicht um einen einmaligen, zu einer Rüge führenden Vorfall handelt. Die Äußerung der Antragsgegnerin beruhe insoweit ebenfalls auf einer tatsachengestützten Grundlage, da von den in dieser Legislaturperiode bislang insgesamt erteilten sieben Rügen sechs gegenüber Mitgliedern der Antragstellerin ausgesprochen wurden. Die in der Äußerung anklingende Bewertung lasse daher keine Verletzung von Rechten der Antragstellerin erkennen.

Verwendung der Begriffe "Altparteien" und "Zwickmühle" nicht zu beanstanden

Entsprechendes gelte für die Verwendung des Begriffs "Altparteien", dem die eigene Wortwahl der Antragstellerin zugrunde liege, so der VerfGH weiter. Soweit die Antragsgegnerin von einer "Zwickmühle" gesprochen hat, nehme sie zwar eine Bewertung vor, wie sich der zuvor dargestellte Zustand aus ihrer Sicht auf die Parlamentsarbeit auswirkt. Dabei bewege sie sich jedoch im Rahmen der ihr als Landtagspräsidentin obliegenden Aufgaben, zu denen auch die Gewährleistung eines trotz aller parteipolitischen Gegensätze respektvollen Umgangs im Parlament zählt. Sie habe dabei weder eine inhaltliche Beurteilung der politischen Positionen der Antragstellerin vorgenommen, noch habe sie durch Form und Wortwahl ihrer Äußerung fehlenden Respekt gegenüber einer Landtagsfraktion zum Ausdruck gebracht. Ebenso wenig könne dies aus der Zuordnung der Antragstellerin zum rechten Parteienspektrum geschlossen werden. Ein Mitglied des VerfGH hat ein Sondervotum abgegeben.

Redaktion beck-aktuell, 7. Dezember 2020.