Für Gerichtsvollzieher Ruhestandseintritt mit 67 vorgesehen
Für Beamte im Polizei-, Justizvollzugs- und Feuerwehrdienst bestimmt § 36 Abs. 3 LBG in der Fassung, die zum Zeitpunkt des Eintritts des ursprünglichen Beschwerdeführers in den Ruhestand galt, eine Sonderaltersgrenze (Ruhestandseintritt mit der Vollendung des 62. Lebensjahrs). In den angegriffenen Entscheidungen gehen das Verwaltungsgericht Stuttgart und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg davon aus, dass Gerichtsvollzieher nicht von § 36 Abs. 3 LBG erfasst werden; vielmehr sollen sie der Regelaltersgrenze des § 36 Abs. 1 LBG (Vollendung des 67. Lebensjahrs) unterfallen.
Gerichtsvollzieher macht Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz geltend
Die Verfassungsbeschwerde sieht in der unterschiedlichen Behandlung einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 2 Abs. 1 der Landesverfassung Baden-Württemberg in Verbindung mit Art. 3 Abs. GG). Gerichtsvollzieher seien in vergleichbarer Weise wie die von der Sonderregelung erfassten Beamten bei der Ausübung ihres Dienstes psychisch und physisch belastet. Sie hätten keine geregelte Arbeitszeit und es häufig mit Personen zu tun, die sich in einer Extremsituation befänden. Verbale und auch körperliche Übergriffe auf Gerichtsvollzieher träten immer häufiger auf (etwa durch so genannte Reichsbürger).
Weiter Gestaltungsspielraum bei Festsetzung der Altersgrenze
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist nach dem jetzt ergangenen Urteil unbegründet. Dass Gerichtsvollzieher die Altersgrenze nicht im selben Zeitpunkt wie die in § 36 Abs. 3 LBG genannten Beamten erreichen, verstoße nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 2 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG. Durch die Verfassung (Art. 2 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 33 Abs. 5 GG) gefordert sei weder eine auf ein bestimmtes Lebensalter gerichtete noch eine für alle Beamten einheitliche Festsetzung der Altersgrenze. Vielmehr habe der Gesetzgeber bei der Festsetzung der Altersgrenze einen weiten Gestaltungsspielraum; er könne auf der Grundlage von Erfahrungswerten generalisierende Regelungen dazu treffen, bis zu welchem Zeitpunkt er die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit der jeweiligen Beamtengruppe noch als gegeben ansieht.
Erhebliche Unterschiede zu in Vorschrift genannten Beamten
Die Entscheidung des Gesetzgebers, Gerichtsvollzieher nicht in den Kreis der durch § 36 Abs. 3 LBG begünstigen Beamten aufzunehmen, sei ausgehend von dem weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum nicht zu beanstanden. Die Tätigkeit der Gerichtsvollzieher einerseits und der in § 36 Abs. 3 LBG genannten Beamten andererseits, namentlich der Polizei- und Justizvollzugsbeamten, weise nicht unerhebliche Unterschiede auf. Diese seien nach der naheliegenden Einschätzung des Gesetzgebers typischerweise derart belastet, dass sie regelmäßig früher als andere Beamte nicht mehr die für die Ausübung des Dienstes erforderliche Leistungsfähigkeit aufweisen. Die Annahme der typischerweise sehr hohen Belastung beruhe dabei nicht auf einem einzigen Aspekt der Dienstausübung, sondern auf einer Gesamtschau.
Kontakt mit Personen in Extremsituationen
Es sei davon auszugehen, dass der Gerichtsvollzieherdienst ebenfalls nicht unerheblich physisch und psychisch belastend sei. Gerichtsvollzieher hätten es tätigkeitsbedingt – wie Polizei- und Justizvollzugsbeamte (einschließlich der Beamten des Werkdienstes) – häufig mit Personen zu tun, die sich in Extremsituationen befinden. Infolgedessen seien auch Gerichtsvollzieher nicht selten verbalen Anfeindungen und gelegentlich körperlichen Übergriffen ausgesetzt. Wie Polizeibeamte müssten auch Gerichtsvollzieher häufig außerhalb ihrer Diensträume tätig werden. Feste Arbeitszeiten erlaube die Tätigkeit eines Gerichtsvollziehers nicht.
Tätigkeit nicht durch Anwendung unmittelbaren Zwangs geprägt
Die Tätigkeit der Gerichtsvollzieher sei aber insgesamt nicht in vergleichbarer Weise dadurch geprägt, unmittelbaren Zwang anwenden zu müssen. Gerichtsvollzieher hätten zwar zum Teil ähnliche Befugnisse wie Polizei- und Justizvollzugsbeamte. Der Gesetzgeber gehe aber davon aus, dass es in erster Linie Aufgabe der polizeilichen Vollzugsorgane ist, Widerstand zu brechen.
Auch unternehmerische Elemente enthalten
Anders als die Tätigkeit der in § 36 Abs. 3 LBG genannten Beamten beinhalte die Tätigkeit der (baden-württembergischen) Gerichtsvollzieher nach der rechtlichen Ausgestaltung unternehmerische Elemente. So seien Gerichtsvollzieher verpflichtet, auf eigene Kosten ein Geschäftszimmer zu halten, Geschäftsbedarf zu beschaffen und – soweit es der Geschäftsbetrieb erfordert – Büroangestellte zu beschäftigen. Damit im Zusammenhang stehe, dass Gerichtsvollzieher Anspruch nicht nur auf eine (fixe) Beamtenbesoldung, sondern auch auf einen Anteil an den durch sie vereinnahmten Gebühren und den von ihnen erhobenen Dokumentenpauschalen haben.
Mehrarbeit zugunsten höherer Einnahmen
Wenn Gerichtsvollzieher zeitlich teilweise sehr in Anspruch genommen seien (mit Wochenarbeitszeiten sehr deutlich über der gesetzlich vorgesehenen wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden), so beruhe dies zumindest in vielen Fällen in einem nicht unerheblichen Ausmaß auch darauf, dass sie entgegen ihrer rechtlichen Verpflichtung keine Büroangestellten beschäftigen und damit Mehrarbeit zugunsten höherer Einnahmen in Kauf nehmen. Schließlich lasse es sich statistisch nicht belegen, dass Gerichtsvollzieher typischerweise bei Erreichen der "normalen" Altersgrenze für Beamte nicht mehr den Anforderungen ihres Dienstes gewachsen sind.