Ver­fas­sungs­recht­ler Pa­pier warnt vor "Ero­si­on des Rechts­staats"

Der frü­he­re Prä­si­dent des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts, Hans-Jür­gen Pa­pier, hat vor einem lange wäh­ren­den Ein­griff in die Grund­rech­te in­fol­ge der Co­ro­na­vi­rus-Krise ge­warnt. Er sehe der­zeit die Ge­fahr einer "Ero­si­on des Rechts­staats", falls die "ex­tre­men Ein­grif­fe in die Frei­heit aller" noch lange an­dau­ern soll­ten, sagte er der "Süd­deut­schen Zei­tung" (Aus­ga­be vom 02.04.2020). "Wenn sich das über eine län­ge­re Zeit hin­zieht, dann hat der li­be­ra­le Rechts­staat ab­ge­dankt."

Ein­schrän­kun­gen bis­lang wohl recht­mä­ßig

Der­zeit hält der Münch­ner Staats­recht­ler die Ein­schrän­kun­gen der Be­we­gungs­frei­heit aber für recht­mä­ßig. Po­li­tik und Ver­wal­tung müss­ten nur immer wie­der prü­fen, ob es we­ni­ger ein­schnei­den­de Maß­nah­men gäbe.

Pa­pier for­dert Re­form des In­fek­ti­ons­schutz­ge­set­zes

Der Ju­rist be­klag­te, dass die Un­ter­neh­men die schwer­wie­gen­den wirt­schaft­li­chen Fol­gen der Krise tra­gen müss­ten, ohne einen recht­li­chen An­spruch auf Ent­schä­di­gung zu haben. Of­fen­kun­dig habe beim Er­lass des In­fek­ti­ons­schutz­ge­set­zes nie­mand an Ver­bo­te und Ge­bo­te mit einer sol­chen Trag­wei­te ge­dacht. "Wir müs­sen dar­über dis­ku­tie­ren, ob sol­che staat­li­chen Ein­grif­fe durch ge­setz­li­che Aus­gleichs­an­sprü­che ab­zu­fe­dern sind", sagte Pa­pier und for­der­te, das Ge­setz "um­ge­hend" zu re­for­mie­ren.

Kri­tik an Aus­wahl­emp­feh­lun­gen der me­di­zi­ni­schen Fach­ge­sell­schaf­ten

Kri­tik übte er an den Be­hand­lungs­emp­feh­lun­gen der me­di­zi­ni­schen Fach­ge­sell­schaf­ten für den Fall eines Man­gels an In­ten­siv­bet­ten. Da­nach soll­ten die me­di­zi­ni­schen Er­folgs­aus­sich­ten das ent­schei­den­de Kri­te­ri­um sein. "Mei­ner Mei­nung nach sind diese Emp­feh­lun­gen recht­lich pro­ble­ma­tisch, weil sie die Men­schen­wür­de und den Grund­satz der Gleich­heit des Men­schen­wür­de­schut­zes in­fra­ge stel­len", sagte er. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts sei jedes Leben gleich­ran­gig. "Ich kann den Ärz­ten also nur raten, sich an diese Emp­feh­lun­gen nicht blind­lings zu hal­ten."

Redaktion beck-aktuell, 3. April 2020 (dpa).