Paritätsgesetz in Brandenburg ist verfassungswidrig
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© Soeren Stache / dpa

Das Brandenburger Verfassungsgericht hat das Paritätsgesetz zur Besetzung der Kandidatenlisten von Parteien bei künftigen Landtagswahlen gekippt - wie zuvor schon die Thüringer Verfassungsrichter die dortige Regelung. Das Gesetz beschränke die Freiheiten der Parteien bei der Aufstellung von Kandidaten und damit die Teilnahme an Wahlen, teilte das Gericht am 23.10.2020 in der Urteilsverkündung in Potsdam mit.

Wahllisten sollten gleich viele Männer und Frauen enthalten

Das Gesetz schrieb den Parteien vor, ihre Kandidatenlisten mit gleich vielen Männern und Frauen zu besetzen. Das Urteil ist ein Rückschlag für entsprechende Bestrebungen auch in anderen Bundesländern und auf Bundesebene. Das Gericht gab damit zwei Klagen der NPD und der AfD recht, die durch das Gesetz die Freiheit der Wahl und die Organisationsfreiheit der Parteien gravierend beeinträchtigt sehen. Außerdem hatten vier AfD-Landtagsabgeordnete Verfassungsbeschwerden eingelegt.

Erstes Bundesland mit entsprechender Regelung

Brandenburg war das erste Bundesland mit einem solchen Paritätsgesetz. Der Landtag stimmte im vergangenen Jahr mehrheitlich für das Gesetz, seit dem 30.06.2020 ist es in Kraft. Brandenburgs Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke hatte die Regelung verteidigt. Wenn die Hälfte der Bevölkerung Frauen seien, sei die gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen ein demokratisches Gebot, sagte sie in der mündlichen Verhandlung im August. In mehreren Bundesländern wurde oder wird über eine Paritätsregelung diskutiert.

Paritätsgesetz greift in Grundsatz der Freiheit der Wahl ein

Das Verfassungsgericht sieht die Antragsteller in ihrer Organisations- und Programmfreiheit, der Wahlvorschlagsfreiheit der Partei und der Chancengleichheit der Parteien verletzt. Der Grundsatz der Freiheit der Wahl für Parteien gelte auch bereits im Vorfeld der Wahl. Dieser Prozess müsse frei von inhaltlicher staatlicher Einflussnahme bleiben. Durch das Paritätsgesetz entziehe der Gesetzgeber dem demokratischen Willensbildungsprozess einen wesentlichen Teil, indem er auf die Zusammensetzung der Listen Einfluss nehme. Die Vorgabe der paritätischen Listenbesetzung könne faktisch den Ausschluss der Aufstellung bestimmter Bewerberinnen und Bewerber zur Folge haben. Bei Parteien, die ein sehr unausgewogenes Geschlechterverhältnis haben, könnte sie zudem zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Aufstellung abwechselnd besetzter Listen führen. Das habe Einfluss auf die Chancen der Parteien bei der Wahl. 

Listenvorgaben würden Demokratieprinzip modifizieren

Die angegriffenen Regelungen seien weder durch eine dem Gesetzgeber grundsätzlich obliegende Ausgestaltung des Wahlverfahrens noch durch das Ziel, den Frauenanteil im Landtag anzuheben, legitimiert. Dem Demokratieprinzip der Verfassung des Landes Brandenburg liege der Grundsatz der Gesamtrepräsentation zu Grunde. Nach diesem Prinzip seien die Abgeordneten nicht einem Wahlkreis, einer Partei oder einer Bevölkerungsgruppe, sondern dem ganzen Volk gegenüber verantwortlich. Diesem Verständnis widerspreche die Idee, dass sich in der Zusammensetzung des Parlaments auch diejenige der (wahlberechtigten) Bevölkerung in ihren vielfältig einzuteilenden Gruppen, Schichten oder Klassen widerspiegeln soll. Gesetzliche Regelungen, die eine jeweils hälftige Verteilung der Landtagssitze an Frauen und Männer anordnen oder durch Listenvorgaben fördern sollen, würden daher zugleich eine Modifikation des Demokratieprinzips bedeuten. Diese sei durch einfaches Gesetz nicht möglich.

Thüringens VerfGH kippte Regelung ebenfalls

Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hatte schon im Juli die dortige Regelung im Landeswahlrecht gekippt, wonach Parteien ihre Kandidatenlisten für Landtagswahlen abwechselnd mit Männern und Frauen besetzen müssen. Die Richter argumentierten im Kern, dass das Paritätsgesetz das Recht auf Freiheit und Gleichheit der Wahl sowie das Recht der politischen Parteien auf Betätigungsfreiheit, Programmfreiheit und Chancengleichheit beeinträchtige.

Mehr Teilhabe in Parlamenten auch auf Bundesebene gefordert

Auch auf Bundesebene kämpfen Frauen für mehr Teilhabe in Parlamenten, zum Beispiel die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt und die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU). Der Frauenanteil im Bundestag war bei der Wahl 2017 von zuvor 37,3% auf 31,2% gesunken. Im Brandenburger Landtag liegt der Anteil weiblicher Abgeordneter bei rund einem Drittel.

Redaktion beck-aktuell, 23. Oktober 2020 (dpa).