Verfassungsbeschwerde gegen Stichtagsregelung bei Erwerbsminderungsrenten erfolglos

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die Stichtagsregelung bei der Erwerbsminderungsrente in § 253a Abs. 2 SGB VI nicht zur Entscheidung angenommen. Der Beschwerdeführer habe eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht dargelegt.

Die beiden Verbände hatten eine Ungleichbehandlung gerügt, da Personen, deren Bezug einer Erwerbsminderungsrente (im Folgenden: EM-Rente) zwischen 2001 und 2018 begonnen habe, weniger Rente erhielten als Neurentner, die seit 2019 ihre EM-Rente bezögen. Laut der Sozialverbände SoVD und VdK sind mehr als 1,8 Millionen Menschen betroffen, die von der Verbesserung nicht profitierten.

Hintergrund ist, dass unterschiedliche Zurechnungszeiten gelten. Wer ab dem 01.01.2019 eine EM-Rente erhält, den behandelt die Rentenversicherung so, als hätte sie oder er bis zur Regelaltersgrenze gearbeitet. Bei Rentenbeginn davor endet die Zurechnungszeit früher, im Fall des Beschwerdeführers mit 60. 

Verfassungsbeschwerde nicht ausreichend begründet

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Der Beschwerdeführer habe einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt. Er setze sich nicht genügend mit der BVerfG-Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Stichtagsregelungen und Übergangsregelungen - insbesondere im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung - auseinander.

Der Gesetzgeber könne zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringe. Er habe auch nicht dargetan, dass die Argumente des Bundessozialgerichts zur Rechtfertigung der Stichtagsregelung ("Rentenbeginn-Prinzip", erheblicher Finanzbedarf bei Einbeziehung von Bestandsrenten) nicht ausreichend seien.

Gesetzgeber hat mit Zuschlägen nachgebessert - SoVD und VdK reicht das nicht

Auf öffentlichen Druck von SoVD und VdK hatte der Gesetzgeber bei den sogenannten Bestandsrentnerinnen und -rentnern, deren EM-Rentenbeginn zwischen dem 01.01.2001 und dem 31.12.2018 lag, in der Zwischenzeit Zuschläge beschlossen. Je nach Rentenbeginn liegen diese Zuschläge bei 4,5 beziehungsweise 7,5%. Nach Ansicht von SoVD und VdK sind diese jedoch zu niedrig und stellen keine Gleichbehandlung mit Neurentnern her. Die Zuschläge werden außerdem erst zum Juli 2024 eingeführt, nach Ansicht des SoVD und des VdK viel zu spät. 

Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des SoVD, erklärte dazu: "Leider haben sich unsere Erwartungen nicht erfüllt und die Ungleichbehandlung besteht fort. Dennoch hat es sich gelohnt, gemeinsam mit dem VdK seit 2020 dieses Musterstreitverfahren durch die Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht zu führen. Die Nachbesserungen für Bestandsrentner sind ein Teilerfolg." 

BVerfG, Beschluss vom 12.06.2023 - 1 BvR 847/23

Redaktion beck-aktuell, 2. August 2023.