BVerfG beanstandete Wertpapierkäufe der EZB
Anschließend hätte Deutschland zunächst einige Monate Zeit, schriftlich auf die Bedenken der EU-Kommission zu reagieren. Sollten die Sorgen der Behörde im Lauf des Verfahrens nicht ausgeräumt werden, könnte sie Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Mai 2020. Dieses hatte die Wertpapierkäufe der EZB beanstandet - und sich damit zum ersten Mal gegen ein vorheriges Urteil des Europäischen Gerichtshofs gestellt. Eigentlich hat EU-Recht in der Staatengemeinschaft Vorrang vor nationalem Recht. Die EZB ist zudem politisch unabhängig. Diese Grundsätze sahen Kritiker durch das Urteil gefährdet.
Verfassungsrichter sahen Mandat der Notenbank überspannt
Die Verfassungsrichter argumentierten hingegen, die Notenbank habe mit dem 2015 gestarteten Programm ihr Mandat für die Geldpolitik überspannt. Bundesregierung und Bundestag sollten darauf hinwirken, dass nachträglich geprüft wird, ob die Käufe verhältnismäßig sind. Mittlerweile haben Bundesregierung und Bundestag das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, wie das Gericht in einem Beschluss von Ende April feststellte.
EU befürchtet negative Vorbildwirkung
Die EZB hatte zwischen März 2015 und Ende 2018 rund 2,6 Billionen Euro in Staatsanleihen und andere Wertpapiere gesteckt - den allergrößten Teil über das Programm PSPP (Public Sector Purchase Programme), auf das sich das Urteil bezieht. Zum 01.11.2019 wurden die umstrittenen Käufe neu aufgelegt, zunächst in vergleichsweise geringem Umfang von 20 Milliarden Euro im Monat. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte bereits kurz nach dem Urteil angekündigt, ein Verfahren gegen Deutschland zu prüfen. Damals bestand vor allem die Sorge, andere Länder könnten sich ein Beispiel am Vorgehen der deutschen Verfassungsrichter nehmen und künftig ebenfalls EuGH-Urteile übergehen. Im Blick ist dabei unter anderem Polen.