Verbraucherschützer kritisieren Pläne für "Sending-Party-Pays-Modell"

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) kritisiert scharf den von der Europäischen Kommission aufgegriffenen Vorschlag der Telekommunikationsindustrie, Netzgebühren für Inhalteanbieter wie Streaming-Dienste, Amazon und Google (sogenanntes Sending-Party-Pays-Modell) einzuführen. Eine solche Gebühr würde die Netzneutralität und den Wettbewerb gefährden. Der vzbv fordert eine öffentliche Konsultation auf EU-Ebene.

Netzgebühren in Südkorea veranschaulichen negative Folgen

Eine Netzgebühr für Streaming-Dienste und anderen Inhalteanbieter würde zur Ungleichbehandlung des Datenverkehrs führen, so die vzbv. Die Regeln der Netzneutralität könnten indirekt ausgehebelt werden. Welche Folgen Internet-Nutzungsgebühren haben könnten, könne man in Südkorea sehen, das als einziges Land weltweit solche Netzgebühren eingeführt habe. Seit der Einführung zögen sich Inhalteanbieter vom Markt zurück, Auswahl und zum Teil auch die Streaming-Qualität verringerten sich. "Die negativen Folgen für Wettbewerb, Netzneutralität und Verbraucherinteressen wiegen schwerer als die Gewinnabsichten der Telekommunikationsindustrie", sagt vzbv-Referentin Susanne Blohm.

vzbv fordert öffentliche Konsultation auf EU-Ebene

Laut vzbv könnte die EU-Kommission bereits im Herbst 2022 einen Entwurf vorlegen. Der Verband kritisiert die Kommission für den intransparenten Beteiligungsprozess und fordert eine öffentliche Konsultation auf EU-Ebene über die aktuellen Vorschläge. Alle betroffenen Kreise wie Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Verbraucherverbände müssten die Möglichkeit erhalten, Stellung zu nehmen. Vor Veröffentlichung eines Entwurfs sollte die Kommission zudem den aktuellen Abschlussbericht des Gremiums europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (BEREC) zu dem Thema abwarten, so die vzbv.

Netzgebühr-Debatte bereits 2012 geführt

Bereits 2012 habe es eine ähnliche Debatte über eine mögliche Netzgebühr zu Lasten von Inhalteanbietern gegeben. Damals hätten sich unter anderem die Kommission und das BEREC klar gegen diesen Vorschlag ausgesprochen. Dies sei auch damit begründet worden, dass durch den Vorschlag die Gefahr von Monopolen vergrößert würde.

Redaktion beck-aktuell, 11. August 2022.