USA: Su­pre­me Court eher skep­tisch bei Be­schrän­kun­gen für Ab­trei­bungs­pil­le

In den USA steht knapp zwei Jahre nach Ende des lan­des­wei­ten Rechts auf Ab­trei­bung der Zu­gang zu einer weit­ver­brei­te­ten Ab­trei­bungs­pil­le auf dem Prüf­stand. In einer An­hö­rung am Diens­tag in Wa­shing­ton mel­de­te der US-Su­pre­me Court Zwei­fel an den Ar­gu­men­ten an, die Ab­trei­bungs­geg­ner vor­brin­gen.

Das Ge­richt ist aber mit einer erz­kon­ser­va­ti­ven Mehr­heit be­setzt und wird seine end­gül­ti­ge Ent­schei­dung erst in ei­ni­gen Wo­chen be­kannt geben. Soll­te der Su­pre­me Court den Zu­gang zu dem Me­di­ka­ment ein­schrän­ken, würde das lan­des­weit gel­ten - also auch in Bun­des­staa­ten, in denen Ab­trei­bung legal ist.

Mife­pristone kommt bei mehr als 60 Pro­zent der in den USA durch­ge­führ­ten Ab­trei­bun­gen zum Ein­satz. Das Me­di­ka­ment wurde im Jahr 2000 in den USA zu­ge­las­sen und wird von der US-Arz­nei­mit­tel­be­hör­de FDA als zu­ver­läs­sig ein­ge­stuft. Üb­li­cher­wei­se wird Mife­pristone zu­sam­men mit der Arz­nei Mi­so­pro­stol für den Schwan­ger­schafts­ab­bruch ein­ge­setzt - Mi­so­pro­stol kann aber auch al­lein ver­wen­det wer­den. Der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on zu­fol­ge ist die Kom­bi­na­ti­on aus bei­den Me­di­ka­men­ten etwas wirk­sa­mer. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren hat die FDA meh­re­re Zu­gangs­er­leich­te­run­gen für Mife­pristone er­las­sen. Dazu zäh­len unter an­de­rem die Ein­nah­me bis zur zehn­ten Schwan­ger­schafts­wo­che und die Ver­sen­dung per Post in­ner­halb der USA.

Soll­te das Obers­te Ge­richt der Ver­ei­nig­ten Staa­ten diese Er­leich­te­run­gen zu­rück­neh­men, könn­ten Be­trof­fe­ne sich Mife­pristone zum Bei­spiel nicht mehr per Te­le­me­di­zin ver­schrei­ben las­sen und nur noch bis zur sieb­ten Schwan­ger­schafts­wo­che ein­neh­men. Die Pille dürf­te nur noch von Ärz­tin­nen und Ärz­ten ver­schrie­ben wer­den, nicht mehr von an­de­ren me­di­zi­ni­schen Fach­kräf­ten. Be­son­ders für viele Frau­en, die in Bun­des­staa­ten leben, in denen Ab­trei­bun­gen weit­ge­hend ver­bo­ten sind, würde das den Zu­gang mas­siv be­schrän­ken. Sie müss­ten teils weite Stre­cken zu­rück­le­gen, um sich Mife­pristone per­sön­lich ver­schrei­ben zu las­sen. In den USA haben dazu viele Men­schen weder die Zeit noch das Geld.

Po­li­ti­sches Erd­be­ben nach Ab­trei­bungs­ur­teil

Der Su­pre­me Court ist unter Ex-Prä­si­dent Do­nald Trump weit nach rechts ge­rückt. Nur drei der neun Rich­te­rin­nen und Rich­ter gel­ten als li­be­ral. Das Ge­richt löste vor knapp zwei Jah­ren ein po­li­ti­sches Erd­be­ben aus, als es das rund 50 Jahre lang gel­ten­de lan­des­wei­te Recht auf Ab­trei­bung kipp­te. In der Folge kön­nen die Par­la­men­te in den Bun­des­staa­ten per Ge­setz re­geln, ob und unter wel­chen Be­din­gun­gen Ab­trei­bun­gen er­laubt sind. Eine Reihe re­pu­bli­ka­nisch re­gier­ter Bun­des­staa­ten hat Schwan­ger­schafts­ab­brü­che seit­dem weit­ge­hend ver­bo­ten - ein recht­li­cher Fli­cken­tep­pich ist ent­stan­den.

In dem Jahr nach der his­to­ri­schen Ent­schei­dung des obers­ten Ge­richts war die Zahl der Ab­trei­bun­gen je­doch lan­des­weit ge­stie­gen. Die Zahl ging be­son­ders in den Bun­des­staa­ten in die Höhe, die an Bun­des­staa­ten mit stren­gen Ver­bo­ten gren­zen. Über die Grün­de für die­sen An­stieg kann nur spe­ku­liert wer­den. Eine mög­li­che Er­klä­rung ist, dass Kli­ni­ken die Ka­pa­zi­tä­ten für le­ga­le Ab­trei­bun­gen als Re­ak­ti­on auf das Ur­teil er­höh­ten und das Thema große Auf­merk­sam­keit er­hielt. In Bun­des­staa­ten mit stren­gen Re­strik­tio­nen ist die Zahl er­war­tungs­ge­mäß zu­rück­ge­gan­gen.

Die re­li­giö­se Rech­te ver­sucht seit Jahr­zehn­ten das Ab­trei­bungs­recht in den USA zu be­schrän­ken. Das Ur­teil des Su­pre­me Court im Jahr 2022 war dabei ihr grö­ß­ter Er­folg - ist aber nicht das Ende ihrer Be­stre­bun­gen, den Zu­gang zu Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen ein­zu­schrän­ken. Das zeigt der ak­tu­el­le Fall, bei dem Ab­trei­bungs­geg­ner gegen die Zu­las­sung von Mife­pristone ge­klagt hat­ten. Die Geg­ner des Me­di­ka­ments ar­gu­men­tier­ten unter an­de­rem, dass Ärz­tin­nen und Ärzte in be­stimm­ten Fäl­len ge­zwun­gen wer­den könn­ten, das Me­di­ka­ment zu ver­schrei­ben - und dass es au­ßer­dem zu ge­fähr­lich sei.

Su­pre­me Court hielt Zu­gang zu Ab­trei­bungs­pil­le vor­erst auf­recht

Im April 2023 hatte der Su­pre­me Court den Zu­gang zur Ab­trei­bungs­pil­le bis zu einer Ent­schei­dung be­stä­tigt. Wäh­rend der An­hö­rung mach­te eine Mehr­heit der Rich­te­rin­nen und Rich­ter nun deut­lich, dass sie nicht über­zeugt davon ist, dass die Klä­ger über­haupt aus­rei­chend nach­ge­wie­sen haben, dass sie sind, den Fall vor­zu­brin­gen. Sie be­ton­ten dabei, die Be­fug­nis über die Zu­las­sung von Me­di­ka­men­ten bei der FDA zu sehen. Der erz­kon­ser­va­ti­ve Rich­ter Sa­mu­el Alito brach­te je­doch den so­ge­nann­ten "Com­stock Act" zur Spra­che. Er un­ter­sag­te einst das pos­ta­li­sche Ver­sen­den por­no­gra­fi­scher In­hal­te und galt bis 1971 auch für Ver­hü­tungs­mit­tel, wird aber längst nicht mehr voll­streckt. Alito sprach in die­sem Zu­sam­men­hang von einer «be­deu­ten­den» ge­setz­li­chen Re­ge­lung.

Das Obers­te Ge­richt steht ak­tu­ell stark im Fokus. Nach­dem es das lan­des­wei­te Recht auf Ab­trei­bung ge­kippt hatte, zwei­feln Kri­ti­ke­rin­nen und Kri­ti­ker seine Le­gi­ti­mi­tät an. Die De­mo­kra­ten von US-Prä­si­dent Joe Biden konn­ten zu­letzt bei Wäh­lern mit dem Thema der kör­per­li­chen Selbst­be­stim­mung von Frau­en punk­ten. Eine Mehr­heit der Men­schen in den USA un­ter­stützt Um­fra­gen zu­fol­ge das Recht auf Ab­trei­bung.

Die An­hö­rung am Diens­tag wurde von Pro­tes­ten vor dem Ge­richt be­glei­tet. "Die Men­schen müs­sen die Mög­lich­keit haben, selbst zu ent­schei­den, was zu einem be­stimm­ten Zeit­punkt das Beste für sie ist", sagte die 60 Jahre alte De­mons­tran­tin Jen­ni­fer am Diens­tag vor dem Ge­richt. Sie hoffe, dass der Su­pre­me Court zu dem Er­geb­nis komme, dass die Arz­nei­mit­tel­be­hör­de FDA ein fä­hi­ges Ex­per­ten­gre­mi­um sei und Ent­schei­dun­gen auf der Grund­la­ge der Wis­sen­schaft tref­fe. Die 25 Jahre alte Ab­trei­bungs­geg­ne­rin Sa­v­an­nah Rose De­te­rich sagte hin­ge­gen: "Ich glau­be, dass das Recht auf Leben das wich­tigs­te aller Men­schen­rech­te ist und dass es das wert­volls­te Ge­schenk ist, das uns ge­ge­ben wurde."

Julia Naue und Magdalena Tröndle, 27. März 2024 (dpa).

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