IStGH lässt Ermittlungen zu mutmaßlichen Kriegsverbrechen in Afghanistan zu

Der Internationale Strafgerichtshof hat am 05.03.2020 nach langem Hin und Her den Weg für Ermittlungsverfahren zu mutmaßlichen Kriegsverbrechen in Afghanistan freigemacht – auch gegen US-Soldaten und Angehörige des US-Geheimdienstes CIA. Zu vermeintlichen Kriegsverbrechen in mutmaßlich geheimen Gefangenenlagern der US-Streitkräfte außerhalb von Afghanistan darf die Anklage nun ebenfalls offiziell ermitteln. Es ist das erste Mal, dass es vor dem Gericht Ermittlungen gegen US-Bürger geben soll. Die US-Regierung reagierte empört. 

USA sind kein Vertragsstaat

Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. 123 Staaten haben den Grundlagenvertrag des Gerichtes ratifiziert, die sogenannten römischen Statuten. Die USA sind kein Vertragsstaat des Gerichtshofes und lehnen diesen schon seit Jahren strikt ab.

Antrag der Anklage zunächst abgelehnt

Die Vorbereitungen für den Schritt ziehen sich schon länger hin. Zunächst hatte eine Kammer des Gerichts den Antrag der Anklage abgelehnt. Damals war die Argumentation, dass es kaum Aussicht auf eine Kooperation Afghanistans gibt und deshalb der Erfolg der Ermittlungen unwahrscheinlich ist.

Auch US-Soldaten und CIA-Mitglieder im Visier

Chefanklägerin Fatou Bensouda hatte die richterliche Zustimmung beantragt, um gegen Verantwortliche für Folter, willkürliche Tötungen, sexuelle Gewalt und andere Kriegsverbrechen vorzugehen, die im Zusammenhang mit dem Krieg in Afghanistan seit 2003 verübt worden seien. Bensouda will gegen mutmaßliche Täter bei den Taliban und den afghanischen Streitkräften ermitteln. Aber auch US-Soldaten und Mitglieder des US-Geheimdienstes CIA sind im Visier der Anklage.

Einreisevisum entzogen

Die US-Regierung hatte bereits im vergangenen Jahr mit Gegenmaßnahmen gedroht, sollte das Gericht einen solchen Schritt unternehmen. Sie kündigte an, Mitarbeitern des Internationalen Strafgerichtshofes die Einreise zu verweigern, wenn sie gegen US-Bürger in Zusammenhang mit deren Handeln in Afghanistan ermitteln. Kurz darauf entzogen die USA damals Bensouda das Einreisevisum, um zu verhindern, dass das Gericht ein Ermittlungsverfahren gegen US-Soldaten wegen mutmaßlicher Verbrechen in Afghanistan eröffnet.

Pompeo: Politische Rache-Aktion

Entsprechend harsch fiel die Reaktion der Amerikaner aus. "Dies ist eine wirklich atemberaubende Aktion einer nicht rechenschaftspflichtigen politischen Institution, die sich als juristische Einrichtung tarnt", sagte US-Außenminister Mike Pompeo am 05.03.2020 in Washington. Die USA würden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um US-Bürger vor diesem «unrechtmäßigen sogenannten Gericht» zu schützen. "Ich will nicht vorgreifen, welche Schritte wir gehen werden", sagte er. Mit einer Ankündigung dazu sei "wahrscheinlich in mehreren Wochen" zu rechnen. "Dies ist eine weitere Mahnung, was passiert, wenn multilaterale Gremien keine Aufsicht und verantwortungsvolle Führung haben und stattdessen ein Vehikel für politische Rache werden", sagte er.

Menschenrechtskommissions-Chefin begrüßt Entscheidung

Die Chefin der unabhängigen Menschenrechtskommission von Afghanistan, Schaharsad Akbar, twitterte dagegen, die Ankündigung des Gerichts sei "eine willkommene Nachricht für Afghanistan und Gerechtigkeit für Opfer des Krieges". Sie dankte auch jenen Opfern, die schon Aussagen zur Verfügung gestellt hatten.

Redaktion beck-aktuell, 6. März 2020 (dpa).